Weihnachten und das Wort Gottes als „harte Nuss“? – Wie Ezechiel eine Buchrolle verzehrt

Nüsse und Honig tauchen vor dem inneren Auge vieler Menschen auf, wenn sie an die Geschenke zurückdenken, die der Nikolaus ihnen als Kind gebracht hat. Auch heute noch werden im Advent in vielen Familien Nüsse geknackt und das Internet bietet allerhand leckere Rezepte, wie man Honignüsse am besten zubereitet.

Eine harte Nuss gibt es dagegen im Alten Testament für den Propheten Ezechiel zu knacken: Gleich am Anfang seines Propheten-Daseins ist er mit der Widerspenstigkeit des Volkes Israels konfrontiert, dem wieder einmal in seiner langen Geschichte Gott und seine Gebote völlig egal geworden sind. Israels Gott ist nicht gerade begeistert und verlangt von seinem neuen Propheten etwas Ungewöhnliches – er soll eine Buchrolle essen…!

"Sei nicht widerspenstig wie dieses widerspenstige Volk! Öffne deinen Mund und iss, was ich dir gebe. Und ich sah: Eine Hand war ausgestreckt zu mir; sie hielt eine Buchrolle. Er rollte sie vor mir auf. Sie war innen und außen beschrieben und auf ihr waren Klagen, Seufzer und Weherufe geschrieben. Und er sprach zu mir: Du Menschenkind, iss, was du vor dir hast! Iss diese Schriftrolle und geh hin und rede zum Hause Israel! Da tat ich meinen Mund auf und er gab mir die Rolle zu essen und sprach zu mir: Du Menschenkind, du musst diese Schriftrolle, die ich dir gebe, in dich hineinessen und deinen Leib damit füllen. Da aß ich sie und sie war in meinem Munde so süß wie Honig." (Ez 2, 7-3,3)

Die harte Nuss, die Ezechiel knacken muss, ist dabei nicht die Buchrolle selbst – die wird ihm ja dann süß wie Honig. Sein persönlicher Knackpunkt ist das widerspenstige Verhalten des Hauses Israels an sich, das überhaupt nichts von Gott wissen will, zu genau dem ihn Gott aber schickt. Bei solch schwierigen Adressaten hat der Prophet nur eine Chance: Er muss sich zuerst selbst, ganz, mit Haut und Haar, mit jeder Faser seines Körpers auf das Wort Gottes und seine Botschaft einlassen. Das, was für die Erfüllung seines Auftrags notwendig ist, muss er sich zuerst von Gott geben lassen – und das ist kein Fastfood: Ezechiel muss das Wort Gottes durchkauen wie Vollwertkost, muss sich erst selbst zur befreienden Botschaft Gottes durchbeißen, bevor er sie anderen akzeptabel nahebringen kann. Nur so kann das Wort Gottes im Menschen Fleisch werden – ein Ereignis, das bald wieder zentral an Weihnachten gefeiert wird.

Das erfordert eine intensive Auseinandersetzung – mit dem Wort Gottes und mit sich selbst, den eigenen (Geschmacks-)Präferenzen und Abneigungen. In dieser persönlichen Auslegung der Bibel lässt der Leser die eigene Person nicht außen vor, sondern verleibt sich den Text ein, um mit ihm eins zu werden – wie mit Nüssen, Honig und jeder anderen Nahrung. Die Bibel fordert also nicht dazu auf, in Schriftrollen oder Bücher zu beißen. Aber sie will eine echte Auseinandersetzung mit ihrem Text, die so existenziell ist, dass sie keiner dem anderen abnehmen kann. Martin Luther hält in einer Weihnachtspredigt genau das für den besten Umgang mit biblischen Texten:

"Das Evangelium ist so klar, dass es nicht lange ausgelegt werden muss. Es will nur gut betrachtet, angesehen und tief in das Herz hineingenommen werden. Es wird keiner mehr Nutzen vom Lesen des Evangeliums haben als der, der sein Herz stillhält, alle Dinge hinter sich lässt und konzentriert immer wieder in den Text hineinsieht."

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