Spätantike Buchmalerei

Handschriften, die in der weit entfernten Vergangenheit der (auslaufenden) Antike angefertigt wurden, gehören aufgrund ihrer Seltenheit, ihrem enormen geschichtlichen Quellenwert sowie ihrer Bedeutung als Werke der Kunst und der Wissenschaft zu den begehrtesten historischen Schätzen überhaupt. Unter diesen äußerst seltenen Objekten befinden sich sowohl antike hebräische Handschriften, griechische Werke der hellenistischen Zeit als auch römische Manuskripte aus der Spätantike.

Im Mittelalter wurde die künstlerische Tradition der Antike im Oströmischen und Byzantinischen Reich fortgeführt, wenngleich in unterschiedlichem Maß an Treue zur klassischen Ästhetik. Wie auch in anderen Epochen decken diese Handschriften unterschiedliche thematische Bereiche ab, die von biblischen bis zu medizinischen Texten reichen. Den Text begleitende und ausschmückende Miniaturmalereien können nicht nur Aufschluss über antike Kunsttechniken geben, so manches Detail eröffnet auch überraschende Einblicke in das alltägliche Leben, in die Zeit und den Ort ihrer Entstehung.

Veranschaulichung anhand einer Beispielseite

Vergilius Romanus

Eclogen: Tityrus und Meliboeus

Das erste von Vergils Hauptwerken besteht aus einer Reihe kurzer Hirtengedichte, die er in der turbulenten Zeit zwischen 44 und 38 v. Chr. geschrieben hat, beginnend mit der Ermordung von Julius Caesar. Diese Handschrift ist ganze fünfzehn Jahrhunderte alt und ein Zeugnis der künstlerischen Verfeinerung der Spätantike mit bemerkenswert natürlichen Formen und Gestalten für Mensch und Tier.
 
Ekloge 1 besteht aus einem Dialog zwischen zwei Hirten: Während Tityrus unter einem Baum sitzt und seine Flöte spielt, erzählt Meliboeus, wie er aus seinem Land vertrieben wurde und nirgendwo seine Herden weiden kann. In der Antike wurde allgemein angenommen, dass dies eine Allegorie für den Verlust des Landguts seiner eigenen Familie war, das sie im Zuge der Umsiedelungsmaßnahmen der Soldaten des Antonius und des Octavian nach der Schlacht von Philippi im Jahr 42 v. Chr. verloren hatte.