Douce Atlas

Douce Atlas – Istituto dell'Enciclopedia Italiana - Treccani – MS Douce 390 and 390* – Bodleian Library (Oxford, Vereinigtes Königreich)

Venedig (Italien) — Anfang des 15. Jahrhunderts

Eingefasst von grazilen Figuren, einem hölzernen Einband und einem schmuckvollen Lederetui: sieben detailreiche Seekarten und zwei doppelseitige Quattrocento-Miniaturen in einem hölzernen Atlas im Codex-Format

  1. Sowohl der hölzerne Originaleinband als auch das ursprüngliche Etui dieses Kartenwerks sind erhalten

  2. Die sieben nautischen Karten werden von zwei doppelseitigen Miniaturen des Maestro della Parousia begleitet

  3. Die Pergamentseiten wurden auf dünne Holztafeln geklebt, die den Codex bilden

Douce Atlas

  1. Beschreibung
  2. Faksimile-Editionen (1)
Beschreibung
Douce Atlas

Die Bodleian Library bewahrt ein besonderes Kartenwerk, das bemerkenswerterweise mitsamt seiner beiden ursprünglichen Hüllen – einem Einband aus zwei Holztafeln und einem lederüberzogenen Holzetui – erhalten ist: der Douce Atlas. Obwohl beides dem Schutz der sieben zusammengeklappten Portolankarten im Inneren dienen sollte, fuhren die Karten wohl nie wirklich mit zur See. Wer das venezianische Kartenwerk Anfang des 15. Jahrhunderts schuf und für wen ist bis heute ein Rätsel. Damals wie heute bezaubern jedwede Betrachter*innen zusätzlich die zwei großen doppelseitigen Miniaturen, die in lieblichen Farben und mit zarter Linienführung die Verkündigung an Maria sowie Paulus und den Evangelisten Markus zeigen.

Douce Atlas

Der Douce Atlas, der nach seinem einzigen bekannten Besitzer Francis Douce (1757– 1834) benannt ist, birgt einige Rätsel. So ist weder bekannt, wer das kartografische Werk schuf, noch wer es beauftragte, geschweige denn nutzte. Trotzdem gehört der Atlas zu den spannendsten Manuskripten der Bodleian Library in Oxford: Seine sieben pergamentenen Seekarten sind ebenso wie die beiden doppelseitigen Miniaturen auf Holztafeln geklebt, die nur wenig dünner sind als der hölzerne Einband des Codex. Durch diese Materialität erinnert der Atlas an mehrlagige Diptychen, werden die Karten doch buchstäblich aufgeklappt. Zugleich werden die Karten in die Form eines Codex überführt, die sich seit dem Spätmittelalter für Atlanten etablierte.

Schutzhüllen für die Seefahrt

Sowohl der Holzeinband, der mit kunstvollen Einlegearbeiten verziert ist, als auch das zugehörige erhaltene Etui dienten zum Schutz der Karten im Inneren – an Land wie zur See. Das ebenfalls hölzerne Etui ist mit purpurfarbenem Pergament ausgekleidet und außen mit dunklem Leder überzogen, das mit wunderbaren floralen Cuir-Ciselé-Ornamenten und drei Inschriften versehen ist. Diese wurden mit einem scharfen Werkzeug in das Leder geschnitten, wodurch erhabene Flächen entstehen. In den Hintergrund wurde ein kleinteiliges Punktmuster geprägt. Die Inschriften in gotischen Lettern besagen: „In dio haver ben“, „par bon amor“ und „per bone respecto“.

Fragwürdige Nutzung

Wahrscheinlich war einst ein Riemen am Etui befestigt, mit dem man es sich theoretisch über die Schulter hängen und überall mit hin mitnehmen konnte. Zwei Laschen an der Seite erlauben zudem das Mitführen weiterer Instrumente der Seefahrt. Allerdings scheint der Douce Atlasniemals wirklich mit zur See genommen worden sein. Darauf deutet zumindest sein außerordentlich guter Erhaltungszustand hin. Zudem ist vorstellbar, dass ein Werk von solch kostbarer Materialität eher der Repräsentation galt als der tatsächlichen Nutzung.

Fokus Mittelmeer

Die qualitativ hochwertigen nautischen Karten wären dazu jedoch durchaus praktikabel gewesen. Sie zeigen die Küstenlinien und Inseln des Schwarzen Meeres, des Mittelmeeres (verteilt auf fünf Karten) und der europäischen Atlantikküste inklusive großer Teile Großbritanniens. Die dezenten Darstellungen heben wichtige Häfen in roter Schrift hervor, während kleine Inseln in Grün und Blau erscheinen.

Prächtige Miniaturen als Rahmen

Die Karten werden nicht nur von ihrem hölzernen Einband eingefasst. Die erste und die letzte Doppelseite des Codex zeigt prachtvolle Miniaturen mit jeweils zwei Figuren in sanft fallenden Gewändern und in lieblichem Kolorit. Den Auftakt bildet die Verkündigung an Maria, die in einem goldgefütterten blauen Mantel dem Erzengel Gabriel gegenübersteht, der ihr gleich die wundersame Botschaft verkünden wird. Am Ende des Codex sind hingegen zwei einzelne Heilige dargestellt: der Evangelist Markus und Paulus mit Buch und Schwert. Sie werden dem sogenannten Maestro della Parousia zugeschrieben, der im Italien des 15. Jahrhunderts aktiv war und mit seinen grazilen Figuren einen würdigen Rahmen für diesen bemerkenswerten Atlas schuf.

Kodikologie

Alternativ-Titel
Atlante Nautico Veneziano
Umfang / Format
20 Seiten / 29,2 × 14,5 cm
Herkunft
Italien
Datum
Anfang des 15. Jahrhunderts
Schrift
Gotische Hybrida
Buchschmuck
7 Karten und 2 doppelseitige Miniaturen
Inhalt
7 Portolankarten: 1) Schwarzes Meer mit Asowschem Meer und Marmarameer; 2) östliches Mittelmeer mit Ägäis, Levante und Ägypten; 3) östliches Mittelmeer mit Peleponnes, Kreta und Teilen der Adria; 4) Adria, Ionisches Meer, Sizilien und Tyrrhenisches Meer;
Künstler / Schule
Vorbesitzer
Francis Douce

Verfügbare Faksimile-Editionen:
Douce Atlas – Istituto dell'Enciclopedia Italiana - Treccani – MS Douce 390 and 390* – Bodleian Library (Oxford, Vereinigtes Königreich)
Istituto dell'Enciclopedia Italiana - Treccani – Rom, 2022
Limitierung: 399 Exemplare
Faksimile-Editionen

#1 Il manoscritto Douce 390 e 390*. Atlante Nautico Veneziano

Details zur Faksimile-Edition:

Limitierung: 399 Exemplare
Einband: Sowohl der Originaleinband als auch das dazugehörige Etui (Signatur Douce 390*) wurden für diese Faksimile-Edition originalgetreu reproduziert. Die Karten und Miniaturen befinden sich in einem hölzernen Codex, der mit Einlegearbeiten geschmückt ist. Das hölzerne Etui mit den Maßen 29,9 × 18,3 × 5,2 cm ist mit dunklem Leder bezogen, in das kunstvolle florale Ornamente und Inschriften geprägt sind.
Kommentar: 1 Band von Andrew Dunning, Piero Falchetta und Valentina Baradel
Sprache: Italienisch
Faksimile: 1 Band Vollfaksimile des gesamten Originaldokuments (siehe unten) Möglichst detailgetreue Reproduktion des gesamten Originaldokuments (Umfang, Format, Farbigkeit). Der Einband entspricht möglicherweise nicht dem ursprünglichen oder aktuellen Dokumenteneinband.
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