Al-Gazuli
Noch heute beten viele Muslime, insbesondere in Nordafrika, tĂ€glich aus diesem Werk von Al-Gazuli (+ 1465), aus den âHinweisungen zur WohltĂ€tigkeitâ: Es handelt sich um mystische Gebete, in denen nach der Anrufung der 99 Namen Gottes sein Segen fĂŒr Muhammad erbeten wird. Die Wirkung dieser Gebete sei sehr wohltuend. Die weite Verbreitung dieses Werkes lĂ€sst sich nicht nur an seiner hĂ€ufigen Verwendung bis heute ablesen, sondern auch an den zahlreichen Abschriften dieses Gebetbuches; nahezu alle Bibliotheken Europas besitzen mindestens ein Exemplar dieses Werkes. Das hier vorliegende ist eines der schönsten Beispiele nordafrikanischer Buchmalerei: Es stammt aus dem persönlichen Besitz eines StammesfĂŒrsten aus Gambia oder Mauretanien.
Hinweisungen zur WohltÀtigkeit
Zu den am hĂ€ufigsten kopierten und gelesenen arabischen Schriften religiösen Inhalts gehören die Dalaâil al-hayrat, die Hinweisungen zur WohltĂ€tigkeit. Al-Gazuli, beim Berberstamm der Gazula im marokkanischen Sus geboren und aufgewachsen, studierte zunĂ€chst in seiner Heimat und ging dann nach Fez, wo er in die Madrasat assaffarin eintrat, und schrieb mit Dalaâil al-hayrat die bekannteste seiner mystischen Schriften.
Das Werk selbst ist in seinem Stil einzigartig. Es ist in gereimter Prosa verfasst, wobei die fortlaufenden Wiederholungen von Satzteilen innerhalb der einzelnen Abschnitte auffallen. Durch sie entsteht der Eindruck, der Text sei fĂŒr eine bestimmte Rezitationsform konzipiert worden. Dies lag wohl auch in der Absicht des Autors, denn an einer Stelle heiĂt es, er habe die Wiederholungen eingesetzt, âum dem Leser das Auswendiglernen zu erleichternâ. Bis heute wird an Wochenenden oder religiösen Festtagen aus diesem Gebetbuch gemeinsam im Chor â laut und ohne Pause â gelesen. Der zu Beginn des Vortrages ruhige Rhythmus steigert sich langsam und erreicht in den letzten Versen seinen Höhepunkt.
Von der ĂŒberaus groĂen Beliebtheit der Dalaâil al-hayrat zeugt nicht nur ihre Verwendung bis in die heutige Zeit, sondern auch die Anfertigung zahlreicher Abschriften des Gebetbuches. Nahezu alle Bibliotheken im Orient und in Europa besitzen eine oder mehrere Fassungen dieses Werkes. Wohlhabende Muslime lieĂen prachtvoll ausgestattete Exemplare der Handschrift herstellen.
Eines der schönsten von ihnen ist der Codex in Wien, der vermutlich einem Sippenoberhaupt in Gambia oder Mauretanien gehört hat. Das vollstĂ€ndig erhaltene Gebetbuch gibt den arabischen Text in einer im Westen entwickelten spĂ€ten Magribı-Schrift wieder. Ihr kalligraphischer Reiz liegt in den exakten Formen der Schriftzeichen, aber auch in der Verwendung von farbiger â schwarzer, goldener, roter, grĂŒner und blauer â Tinte. Das Schriftfeld der Textseiten wird jeweils von einem goldenen und einem blauen Balken gerahmt.
Daneben finden sich zahlreiche Zierseiten, die mit geometrischen und floralen Schmuckformen, Arabesken und Ranken in den verschiedensten Farben kunstvolle Akzente setzen. Der feine Duktus von Schrift und Ornamentik deutet auf einen geĂŒbten KĂŒnstler hin, der in ErfĂŒllung seines Auftrages eines der schönsten Beispiele nordafrikanischer Buchkunst schuf.
Kodikologie
- Alternativ-Titel
- alâHayrat. Hinweisungen zur WohltĂ€tigkeit
Abu Abdallah Muhammed ibn Abi Bakr ibn Sulayman al-Gazuli. Dalaâil - Umfang / Format
- 318 Seiten / 11,4 Ă 11,4 cm
- Datum
- 17. Jahrhundert
- Sprache
- Buchschmuck
- Viele Zierseiten mit geometrischen und floralen Ornamenten
- KĂŒnstler / Schule
- Al-Gazuli (gest. 1465) (Autor)
- Vorbesitzer
- Vermutlich ein StammesfĂŒhrer in Gambia oder Mauretanien
Al-Gazuli
Teppichseite
Muslimische Gebetsteppiche weisen normalerweise komplizierte Muster auf und wurden nicht nur in der islamischen Kunst dargestellt, sondern inspirierten wahrscheinlich auch die prĂ€chtigen Teppichseiten, die hĂ€ufig in insularen Handschriften zu finden sind. Dieses schöne Beispiel zeigt eine Kombination von floralen und geometrischen Mustern, die typisch fĂŒr die islamische Kunst sind. Es handelt sich um eine kĂŒnstlerische Darstellung natĂŒrlich vorkommender Muster, die seit der Antike beobachtet wurden, um die Ordnung der Natur zu verstehen und darin vielleicht sogar Gottes Hand zu entdecken.
Al-Gazuli
Teppichseite
WĂ€hrend figĂŒrliche Darstellungen in weltlichen Werken akzeptiert wurden, waren sie in religiösen islamischen Manuskripten untersagt. Muslimische KĂŒnstler mussten daher andere Wege finden, um ihr Talent auszudrĂŒcken: wie diese Seite aus einem der beliebtesten Texte der islamischen Welt. Sie Ă€hnelt der Art von Teppichseiten, die fĂŒr die insulare Buchmalerei typisch sind, ist jedoch im Design eindeutig islamisch.
Diese Seite zeigt kunstvoll die komplizierten geometrischen Muster, die fĂŒr die islamische Kunst kennzeichnend sind. Der Teppich glĂŒht fast vor Blattgold und ist mit Blau, Orange, Gelb, Schwarz und Spuren von Rot und Rosa bemalt. Bei nĂ€herer Betrachtung verbinden sich geometrische Muster und Schnörkel zu kleineren BlĂŒten, die sich zu einer groĂen BlĂŒte zusammenfĂŒgen. Möglicherweise lĂ€sst sich das als eine Art kosmische Metapher verstehen.
#1 Abu Abdallah Muhammed ibn Abi Bakr ibn Sulayman al-Gazuli. Dalaâil alâHayrat. Hinweisungen zur WohltĂ€tigkeit
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