Bilderbibel aus Bologna

Bilderbibel aus Bologna

Bologna (Italien) — Um 1400

Ein goldstrahlendes Bilderbuch über das Wirken und die Wundertaten Christi, in Gebrauch über Generationen: 48 späte und meisterliche Trecento-Miniaturen eines begnadeten Bologneser Buchkünstlerteams für die private Meditation und Andacht

  1. Dieses kleine private Andachtsbuch besteht einzig und allein aus wunderschönen ganzseitigen Miniaturen

  2. Der goldgeschmückte Zyklus aus 48 erhaltenen Bildern zeigt Szenen aus den Lebens Marias und Jesus'

  3. Bemerkenswerterweise liegt der Fokus dabei auf dem Wirken und den Wundertätigkeiten Jesus'

Bilderbibel aus Bologna

MS q Med. 85 Boston Public Library (Boston, USA)
  1. Beschreibung
  2. Detailbild
  3. Einzelseite
  4. Faksimile-Editionen (1)
Beschreibung
Bilderbibel aus Bologna

Zwischen ca. 1390 und 1410 schuf ein Team von talentierten Buchmalern aus Bologna ein kunstvolles Andachtsbuch für die fromme, private Meditation über das Wirken und Leiden Jesus‘, das einzig und allein aus ganzseitigen Miniaturen besteht: die sogenannte Bologneser Bilderbibel. Wer das Werk bei dem Meister von 1411 und seinen Kollegen in Auftrag gab, ist unbekannt. Die intensiven Gebrauchsspuren zeugen aber von einer regen Nutzung über ganze Generationen, denen die eindringlichen und narrativen Bilder bei der Verehrung von Christus, seine Mutter Maria und ausgewählten Heiligen als visuelle Unterstützung dienten. Die 48 erhaltenen, goldgeschmückten Miniaturen zeichnen sich stilistisch vor allem durch ihre leuchtende Farbigkeit, die kunstvoll stilisierten Landschaften und die fesselnde Gestik und Mimik der Figuren aus. Bemerkenswert ist zudem der Fokus des Bilderzyklus‘ auf die zahlreichen Wundertätigkeiten Jesus‘, von denen in den Evangelien erzählt wird und von denen einige nur sehr selten Eingang in Kunstwerke wie dieses fanden.

Bilderbibel aus Bologna

Um 1400 schuf ein Team von talentierten Buchmalern ein wunderschönes Andachtsbuch, das einzig und allein aus ganzseitigen, goldgeschmückten Miniaturen besteht, von denen 48 erhalten sind. Den Anfang machen zwei Szenen aus dem Leben Marias, die auf apokryphen Schriften beruhen und die besonderen Umstände ihrer Zeugung und Geburt in Erinnerung rufen sollen. Darauf folgen 44 chronologisch angeordnete Szenen aus dem Leben Jesus‘ mit einem auffallenden und ungewöhnlichen Fokus auf sein Wirken und seine Wundertätigkeit vor der Passion – darunter auch sehr seltene Ikonografien wie etwa die Wunderheilung eines Gelähmten in Bethesda. Den Abschluss bilden nach einer leeren Doppelseite zwei Heiligenbildnisse von Johannes dem Täufer und Sankt Georg, den Drachentöter.

Eintauchen in die Geschichte vom Leben Christi

Die wunderbaren Miniaturen führen ihren Betrachter:innen die wundersame Geschichte Christi eindringlich vor Augen und sollten in ihnen Verehrung und Kontemplation hervorrufen. Sie dienten als eine Art visuelle Gedächtnisstütze und Hilfestellung für die eigenständige, private Meditation über den christlichen Gott und den eigenen spirituellen Pfad. Dabei ging es auch darum, die dargestellten biblischen Erzählungen zu verinnerlichen. Das zeigen insbesondere die zahlreichen sogenannten Repoussoir-FigurenRückenfiguren, die den oder die Betrachter:in in das Bild „hineinziehen“ und damit das Eintauchen in die Geschichte erleichtern sollten. Dank des kleinen Formats konnte dieses buchmalerische Kleinod überall mit hingenommen werden und ein stetiger Begleiter seines Besitzers oder seiner Besitzerin sein. Die geringe Größe macht die vielfigurigen Miniaturen zudem umso beeindruckender.

Mysteriöse Verluste

Beim aufmerksamen Durchblättern der Handschrift fällt auf, dass zentrale Szenen aus dem Leben Jesus‘ in dem ansonsten so ins Detail gehenden Bilderzyklus fehlen, so zum Beispiel die Geburt Christi und die Kreuzigung. Tatsächlich umfasste der die Handschrift ursprünglich vermutlich mindestens zehn Miniaturen mehr, die diese Fehlstellen ausfüllten und möglicherweise auch noch weitere Heilige zeigten. Wann genau und unter welchen Umständen die Seiten verloren gingen, ist leider nicht mehr nachzuvollziehen. Es muss jedoch vor der Neubindung des Codex im 16. Jahrhundert gewesen sein, da der damals angelegte und bis heute erhaltene Einband keinerlei Spuren einer Entfernung der Seiten aufweist.

Team-Kunst

Der Stil der 48 erhaltenen Miniaturen zeichnet sich vor allem durch die leuchtende Farbgebung, die kunstvoll stilisierten Landschaften und die fesselnde Narration aus. Letztere wird besonders mittels der ungewöhnlich ausdrucksstarken Gestik und Mimik der Figuren unterstützt. Bei genauerer Betrachtung fällt zudem auf, dass Jesus nicht wie zu vermuten kohärent, sondern immer wieder mit etwas anderen Gesichtszügen dargestellt ist. Dieses faszinierende Detail offenbart, dass die Miniaturen von mehreren unterschiedlichen Händen geschaffen wurden, die aber wahrscheinlich der gleichen Werkstatt angehörten. So verewigten sich die beteiligten Buchmaler mit ihrer jeweils individuellen Vorstellung von Jesus.

Buchmalerei aus Bologna

Ein großer Teil der eindringlichen Miniaturen wird dem sogenannten Meister von 1411 zugeschrieben, der seinen Behelfsnamen von einer seiner genau datierten Kreationen hat: der illuminierten Statuten-Handschrift für die Bologneser Tuchmacherzunft, die er 1411 vollendete. Er wird in der Forschung mit dem Skriptorium des ehemaligen Olivetanerklosters San Michele in Bosco assoziiert, das am Rande des mittelalterlichen Bolognas zu finden war. Hier könnte möglicherweise auch der Ursprung der kunstvollen Handschrift liegen.

Zweisprachige Inschriften

Die roten Überschriften, die über fast jeder Miniatur zu finden sind und das Bildthema benennen, wurden der Handschrift wahrscheinlich kurz nach ihrer Fertigstellung hinzugefügt. Sie lassen keinen Zweifel daran, was dargestellt ist – eine relevante Hilfestellung insbesondere für die weniger gängigen und teils obskuren Ikonografien. Sie fehlen auffälligerweise bei den beiden Heiligenbildnissen am Ende des Codex. Hier wurden sie offenbar als weniger wichtig erachtet beziehungsweise die Bilder als eindeutig. Im 17. Jahrhundert kamen etwas ausführlichere Bildunterschriften auf Italienisch hinzu. Im gleichen Zeitraum wurden möglicherweise auch die goldgeschmückten Holzschnitt-Rankenbordüren ergänzt, die heute beinahe jede Seite zieren.

Geschichte der Handschrift

Auch wenn einige Seiten über die Jahre verloren gingen, muss die Handschrift doch von höchstem Wert für ihre zahlreichen Besitzer:innen gewesen sein. Das zeigen vor allem die intensiven Nutzungsspuren aus mehreren Generationen. Leider können heute nur noch die Besitzer des 20. Jahrhunderts rekonstruiert werden. 1905 gelangte die kostbare Handschrift aus dem Nachlass des österreichischen Kaufmanns und Kunstsammlers Franz Trau (1842–1905) in die Bibliothek des Heidelberger Professors Victor Goldschmidt (1853–1933). 1941 war die Bilderbibel erneut zur Auktion freigegeben und wurde schließlich von H.P. Kraus für die Boston Public Library akquiriert.

Kodikologie

Alternativ-Titel
Bibbia di Bologna
Bologna Devotional Picture Book
Bologna Bible
Devotional picture book
Picture Bible
Biblia Bononiensis
Umfang / Format
52 Seiten / 14,0 × 10,2 cm
Herkunft
Italien
Datum
Um 1400
Stil
Schrift
Gotische Textualis Rotunda Humanistische Minuskel
Buchschmuck
48 ganzseitige, goldgeschmückte Miniaturen
Inhalt
Bilder-Andachtsbuch mit Darstellungen aus dem Leben Christi, dem Leben der Jungfrau Maria und Heiligen
Künstler / Schule
Vorbesitzer
Franz Trau (1842–1905)
Victor Goldschmidt (1853–1933)
H.P. Kraus

Verfügbare Faksimile-Editionen:
Bibbia di Bologna
Imago – Rimini, 2025
Limitierung: 299 Exemplare
Detailbild

Bilderbibel aus Bologna

Jesus und die Ehebrecherin

Das Johannesevangelium berichtet von einer für die damalige Zeit erstaunliche Geschichte: Eine Frau – hier im dezenten, rosa Gewand – wird auf frischer Tat beim Ehebruch erwischt und soll nun nach den alten Gesetzen gesteinigt werden. Sie wird vor Jesus geführt, um diese Strafe von ihm bestätigen zu lassen. Er schreibt zunächst wortlos auf den Boden, so dass die Ankläger wiederholt auf ihn einreden. Sodann antwortet er: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie.“ (Joh 8,7)

Bibbia di Bologna
Einzelseite

Bilderbibel aus Bologna

Jesus bändigt den Sturm

Der See Genezareth ist ein zentraler Handlungsort des wundersamen Wirkens Jesus‘. Hier erscheint er als kleiner Tümpel vor einer stark befestigten Stadt. Ein Fischer am unteren Bildrand führt uns als Betrachter:in in die Szene ein, die eine Erzählung aus dem Matthäusevangelium visualisiert.

Nachdem Jesus einige Jünger, hier vier an der Zahl, dazu angehalten hat, mit ihm zusammen das unruhige Wasser zu überqueren, bricht ein heftiger Sturm aus. Während Jesus davon völlig unbeeindruckt im Heck des Bootes weiterschläft, verzweifeln die Jünger in ihrer Todesangst. Sie wecken den Gottessohn, der sie daraufhin als „Kleingläubige“ bezeichnet und dem Sturm Einhalt gebot. Da staunten die Jünger nicht schlecht und fragten sich: „Was ist das für ein Mensch, dass ihm Wind und Meer gehorsam sind?“ (Mt 8, 27)

Bibbia di Bologna
Faksimile-Editionen

#1 Bibbia di Bologna

Imago – Rimini, 2025

Details zur Faksimile-Edition:

Verlag: Imago – Rimini, 2025
Limitierung: 299 Exemplare
Einband: Replik des Originaleinbands aus dem 16. Jahrhundert: Brauner Ledereinband mit Flechtband-Blindprägung und zwei goldenen Schließen
Kommentar: 1 Band (114 S.)
Sprache: Italienisch
Faksimile: 1 Band Vollfaksimile des gesamten Originaldokuments (siehe unten) Möglichst detailgetreue Reproduktion des gesamten Originaldokuments (Umfang, Format, Farbigkeit). Der Einband entspricht möglicherweise nicht dem ursprünglichen oder aktuellen Dokumenteneinband.
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