Elemente aus der Romanik, der Gotik und aus Byzanz: Ein Meisterwerk des Stilpluralismus aus Deutschland, geschmückt mit prächtigen Miniaturen
Goslarer Evangeliar
Goslar (Deutschland) — Um 1240

Goslarer Evangeliar
Goslar (Deutschland) — Um 1240
Diese prächtige Luxus-Handschrift war für den Kirchengebrauch und Prozessionen gedacht
Hinweise deuten auf das Goslarer Kloster als wahrscheinlichen Entstehungsort hin
Der Text ist ein Kunstwerk für sich, die Arbeit eines erfahrenen Schreibers, der die Buchstaben meisterhaft ausgeführt hat

Goslarer Evangeliar
Incipit-Seite zum Johannesevangelium
Mit seinem reichen Blattgoldhintergrund und den starken Primärfarben ist dies ein schönes Exemplar deutscher Buchmalerei am Übergang von der Romanik zur Gotik. Die aufwändig gestaltete Säule mit Szenen aus dem Leben Jesu sowie verschiedenen Drolerien dient als I-Initiale für die ersten Worte des Johannesevangeliums: IN PRINCIPIO ERAT VERBVM UND VERBVM ERAT APVD DEVM ET DEVS ERAT VERBVM - „Am Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott.“ (Joh 1, 1)
Goslarer Evangeliar
- Goslar Gospels
Kurzbeschreibung
Schon in frühchristlicher Zeit zeichnete sich ab, dass den 4 Evangelien innerhalb der Bibel eine herausragende Bedeutung zukam. Daher stellte man sie in eigenen Büchern, den Evangeliaren, zusammen, deren Ausgestaltung von ihrer besonderen Wertschätzung beredtes Zeugnis ablegt. So auch die prächtige Luxus-Handschrift des so genannten Goslarer Evangeliars, das sich durch einen Stilpluralismus auszeichnet: Die Romanik hatte sich erschöpft, aus Frankreich, wo der entscheidende Schritt zur Gotik bereits vollzogen war, und über den Mittelmeerraum aus Byzanz kamen gewaltige neue Impulse, die zu einem höchst interessanten Eklektizismus im Goslarer Evangeliar führten. Einer der letzten Zeugen des Buchtypus „Evangeliar“, gilt das Goslarer Evangeliar als Musterbeispiel der staufischen Kunst. Außergewöhnlich ist auch die Tatsache, dass es den ursprünglichen Einband bis heute erhalten hat. Ein Meisterwerk, das näheres Interesse mehr als verdient.
Goldene Buchkunst zwischen Romanik und Gotik
Schon in frühchristlicher Zeit hatte sich mit dem Zusammenfassen der Evangelientexte die Tradition des Evangeliars ausgebildet, die in den Handschriften des 9. bis 13. Jh.s ihren Höhepunkt erreichen sollte. Unter allen Texten des Alten und Neuen Testamentes wurde den vier Evangelien der höchste Stellenwert beigemessen: das Hören und Lesen dieser „Frohen Botschaft“ bildete einen zentralen Bestandteil der christlichen Liturgie. Dieser Bedeutung entsprechend erlesen war auch die Ausstattung der Evangeliare.
Mit dem Goslarer Evangeliar ist uns eine der größten Kostbarkeiten dieses Buchtypus erhalten geblieben. Seine Entstehung fällt in eine Phase des künstlerischen Umbruchs: Der romanische Stil hatte sich erschöpft, neue geistige und formale Strömungen kamen aus Frankreich (wo der entscheidende Schritt zur Gotik bereits vollzogen war) und vor allem aus dem Mittelmeerraum (wo sich, bedingt durch den regen Handel mit Konstantinopel, der das 13. Jh. beherrschende byzantinisierende Stil bereits etabliert hatte). Inmitten dieses Stilpluralismus, der den Künstlern ein ungemein reichhaltiges Repertoire an formalen Lösungen an die Hand gab, wurde in Goslar eine Handschrift ausgestattet, in der sich, wie in kaum einer zweiten, einzelne Elemente der unterschiedlichen Stilrichtungen zu einer neuen, großartigen Einheit zusammenfinden. Auf diesem künstlerischen Niveau erreicht der Eklektizismus bereits die Bedeutung eines eigenen Stils.
Der Aufbau des Codex entspricht der gängigen Tradition des Evangeliars. An den Prolog mit Briefen und Vorreden des hl. Hieronymus (u. a. mit einer Charakterisierung der Evangelien und einer Erklärung der Evangelistensymbole) und einem Brief des hl. Eusebius (der die Entstehung der Evangelienkonkordanz zum Inhalt hat) schließen die Evangelientexte an, die jeweils von einem Inhaltsverzeichnis (Capitula) und einem Prolog (Argumentum) eingeleitet werden. Dieser Abfolge von Texten und deren innerem Aufbau folgt auch das Ausstattungsschema des Goslarer Evangeliars.
Gleichsam als Einstimmung auf den folgenden Text ist jedem Evangelium eine prachtvolle Doppelseite vorangestellt. Einer Initialseite, die mit kleinen eingefügten Episoden belebt wird, liegt jeweils eine Miniaturseite gegenüber, deren Rahmen zwei oder mehr szenische Bilder umspannt. Lukas, dem von allen Evangelisten die größte historische Glaubwürdigkeit zugestanden wird, erhielt zusätzlich noch eine weitere Initial- und Bildseite.
Wie schon der Prologteil, so steht auch der Bildschmuck inhaltlich in enger Beziehung zu den vier Evangelien. Durch eine phantasievolle und formenreiche Initialornamentik erhalten auch die „reinen“ Textseiten der Evangelien einen besonderen Reiz. Je nach ihrer Funktion werden die Initialen verschiedenartig ausgeschmückt. So finden sich Initialen mit farbigen Ranken und kleinen eingearbeiteten Drôlerien auf Goldgrund, fein konturierte, farbig grundierte Initialen aus Goldranken und Goldbuchstaben mit feinen Linienschnörkeln. Allen gemeinsam ist eine präzise und feine Zeichnung.
Von ganz großer Seltenheit ist auch die Tatsache, dass das Goslarer Evangeliar seinen ursprünglichen Einband bis heute erhalten hat. Dieser wird im Kommentarband ausführlich dokumentiert.
Als einer der letzten Zeugen dieses Buchtypus (in der 2. Hälfte des 13. Jh.s wurde das Evangeliar vom Perikopenbuch, dem Lektionar und dem Missale abgelöst) gilt das Goslarer Evangeliar als Musterbeispiel der staufischen Kunst an der Wende zu einem neuen Stil.
Kodikologie
- Alternativ-Titel
- Goslar Gospels
- Umfang / Format
- 258 Seiten / 33,5 × 25,0 cm
- Herkunft
- Goslar (Deutschland)
- Datum
- Um 1240
- Epoche
- Genre
- Sprache
- Buchschmuck
- 30 Miniaturen von biblischen Szenen, durchgängig Initialbuchstaben in Gold

Goslarer Evangeliar
Das Markusevangelium
Jedem Evangelium in diesem Manuskript ist eine ganzseitige Miniatur vorangestellt, die das Porträt des jeweiligen Evangelisten mit zwei weiteren Szenen kombiniert. Oben links sehen wir den Evangelisten Markus an seinem Schreibtisch, rechts von ihm die Taufe Jesu und darunter die Berufung der Apostel. Alle drei sind mit glänzendem Blattgold hinterlegt, das die vom Künstler verwendeten kräftigen Rot-, Blau- und Grüntöne zusätzlich hervorhebt.
Die Kompositionen der Miniaturen sind meisterhaft, die Figuren in Roben gekleidet mit einem stark stilisierten, zackigen Faltenwurf, der an den aufkommenden Zackenstil denken lässt. Es gibt auch einige merkwürdige Details: In beiden biblischen Szenen tauchen unter der Wasseroberfläche seltsame Mischwesen auf. Sie stellen die Dämonen dar, die die ehemaligen Heiden hinter sich gelassen haben, da sie nun durch die Taufe von ihnen befreit sind.
1 verfügbare Faksimile-Ausgabe(n) von „Goslarer Evangeliar“
Das Goslarer Evangeliar
- Verlag
- Akademische Druck- u. Verlagsanstalt (ADEVA) – Graz, 1990
- Limitierung
- 300 Exemplare
- Einband
- Leder. Alle Blätter sind dem Original entsprechend randbeschnitten.
- Kommentar
-
1 Band (132 Seiten) von R. Kroos, F. Steenbock, W. Milde, und D. E. Petersen
Sprache: Deutsch
Wissenschaftliche Bearbeitung: R. Kroos, München, F. Steenbock, Berlin, W. Milde, Wolfenbüttel, D. E. Petersen, Wolfenbüttel. 132 Seiten, 38 Schwarz-Weiß-Abbildungen. Einband: Leinen. - Mehr Informationen
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