Ruodlieb

Ruodlieb – Reichert Verlag – Clm 19486 – Bayerische Staatsbibliothek (MĂŒnchen, Deutschland)

Wohl Tegernsee (Deutschland) — Zweites Viertel des 11. Jahrhunderts

Der erste "Ritterspiegel" des Mittelalters: Ein einzigartiger mittellateinischer Ritterroman, ĂŒber Jahrhunderte verschollen und durch schrittweise Entdeckungen und mĂŒhsame Arbeit wieder zum Leben erweckt

  1. Nach ihrer Entdeckung im Jahr 1897 wurden die Fragmente des alten Manuskripts nach und nach zusammengefĂŒgt

  2. Es enthĂ€lt einen unvollendeten Ritterroman ĂŒber die Abenteuer eines jungen Ritters

  3. Geschrieben in Latein von einem deutschen Dichter um 1030, zeichnet es ein lebendiges Bild der zeitgenössischen Feudalgesellschaft

Ruodlieb

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Beschreibung
Ruodlieb

Ein verschollenes Manuskript, das durch schrittweise Entdeckungen und mĂŒhsame Arbeit wieder zum Leben erweckt wurde: der Ruodlieb. Ab 1807 wurden Fragmente eines alten Manuskripts entdeckt, das zerschnitten und zum Binden anderer BĂŒcher verwendet worden war, und wieder zusammengesetzt. Das wiederauferstandene "Frankenstein-Manuskript" enthĂ€lt einen unvollendeten Ritterroman, der die Abenteuer eines jungen Ritters erzĂ€hlt und in lateinischer Sprache von einem anonymen deutschen Dichter geschrieben wurde, der um 1030 wirkte. Damit ist der Codex nicht nur einer der frĂŒhesten deutschen Ritterromane, sondern entwirft auch ein lebendiges Bild der feudalen Gesellschaft im 11. Jahrhundert.

Ruodlieb

Im Jahr 1807 entdeckte der Germanist und Bibliothekar Bernhard Joseph Docen (1782-1828) bei seiner Arbeit in der Bayerischen Hof- und Staatsbibliothek in MĂŒnchen (der heutigen Bayerischen Staatsbibliothek) das Fragment eines unvollendeten ritterlichen Gedichts in leoninischen Hexametern von einem unbekannten Autor. Er verbrachte die folgenden Jahre damit, 15 DoppelblĂ€tter der einstigen Handschrift zu finden. Weitere BlĂ€tter wurden bis zum Jahr 1981 entdeckt und scheinen von einer Handschrift aus dem 11. Jahrhundert zu stammen, die im 15. Jahrhundert zerteilt wurde, um als Einband fĂŒr andere Werke verwendet zu werden. Dies hat den Forschern etwa 2.320 Verse oder ungefĂ€hr 60 % des ursprĂŒnglichen Textes zur VerfĂŒgung gestellt.

Ritterlichkeit, Fantasie, RealitÀt und Moral

Ruodlieb ist die Geschichte eines jungen Ritters, der aus seiner Heimat verbannt wird, in den Dienst eines gerechten Königs tritt und mit weisen SprĂŒchen oder Sprichwörtern entlohnt wird, die jeweils als Ausgangspunkt einer Episode dienen, in der der Ritter ihre Bedeutung zu schĂ€tzen lernt. Dann kehrt er nach Hause zurĂŒck, um sich mit seiner Mutter zu vereinen und eine Frau zu suchen, was ihm nur gelingt, indem er einen Zwerg gefangen nimmt. Dieser Zwerg verrĂ€t dem Ritter, wo er einen großen Schatz finden kann, und prophezeit ihm, dass er Heriburg heiraten wird, nachdem er ihren Vater und ihren Bruder erschlagen hat. Die Geschichte ist gespickt mit Motiven aus MĂ€rchen und Heldensagen, die mit realistischen Schilderungen des Alltags von Adel und BĂŒrgertum in dem oberbayerischen Dorf, in dem sie spielt, kombiniert werden. Ebenso wechselt die ErzĂ€hlung zwischen spielerisch und bunt bis hin zu nĂŒchtern und moralisierend. Die Figuren lernen entweder aus den Lektionen, die das Leben ihnen erteilt, oder sie tragen die Konsequenzen, wenn sie dies nicht tun.

Die Bestimmung Ruodliebs

In anderen Werken finden sich keine Spuren der Geschichte, und sie hat keinen Nachfolger in lateinischer Sprache gefunden. Der anonyme Autor, wahrscheinlich ein Kleriker, wurde von verschiedenen klassischen Werken beeinflusst, insbesondere von der Aeneis und dem Alexanderroman, erwĂ€hnt aber nur Plinius den Älteren ausdrĂŒcklich. Es ist schwierig, das faszinierende Werk einer Gattung zuzuordnen, da es MĂ€rchen, Heldensage, Heiligenleben, Chanson de geste und Abenteuerroman in sich vereint. Dennoch gilt die fiktive Tugend- und GlĂŒcksgeschichte als erster „Ritterspiegel" des Mittelalters. Ungewöhnlich an dem Werk ist das fast vollstĂ€ndige Fehlen von Eigennamen und Ortsbezeichnungen sowie das Fehlen von konkreten politischen Anspielungen. Nichtsdestotrotz ist das Manuskript ein Beweis fĂŒr einen Ă€ußerst kreativen Geist, auch wenn das Werk zu seiner Zeit anscheinend kein Erfolg war.

Kodikologie

Alternativ-Titel
Codex Latinus Monacensis
Fragmente von St. Florian
Fragments of St. Florian
Herkunft
Deutschland
Datum
Zweites Viertel des 11. Jahrhunderts
Stil
Sprache
Faksimile-Editionen

#1 Ruodlieb: Faks.-Ausg. d. Codex Latinus Monacensis 19486 d. Bayer. Staatsbibliothek MĂŒnchen u. d. Fragmente von St. Florian

Reichert Verlag – Wiesbaden, 1974

Details zur Faksimile-Edition:

Verlag: Reichert Verlag – Wiesbaden, 1974
Kommentar: 1 Band von Walter Haug
Sprache: Deutsch
Faksimile: 1 Band Schwarz-Weiß-Reproduktion des gesamten Originaldokuments. Die Seiten werden vor einem weißen Hintergrund prĂ€sentiert. Der Einband entspricht möglicherweise nicht dem ursprĂŒnglichen oder aktuellen Dokumenteneinband.
Ausgabe bei uns verfĂŒgbar
Preis Kategorie: €
(unter 1.000€)
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