Wessobrunner Gebet

Wessobrunner Gebet – Kurt Wolff Verlag – Clm 22053 – Bayerische Staatsbibliothek (München, Deutschland)

Bistum Augsburg (Deutschland) — Um 814

Ordnung ins Chaos der Welt bringen: Die poetische Beschreibung des Anfangs der Welt in einem der ältesten erhaltenen deutschen Texte, überliefert in einer wegweisenden Sammelhandschrift des 9. Jahrhunderts

  1. Eines der ältesten Beispiele althochdeutscher Dichtung stammt wahrscheinlich aus dem späten 8. Jahrhundert

  2. Das althochdeutsche Gedicht, das die Erschaffung der Welt aus dem Chaos erklärt, wurde in einen lateinischen Codex eingefügt

  3. 18 Miniaturen schmücken die Legende vom Heiligen Kreuz, einen von über 70 Texten, die in der Sammelhandschrift zu finden sind

Wessobrunner Gebet

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Beschreibung
Wessobrunner Gebet

Diese Handschrift enthält das Wessobrunner Gebet und 70 weitere kurze, überwiegend theologische Texte. Dem eigentlichen Gebet in Prosa, das dem gesamten Text seinen Namen gibt, ist ein kurzes Schöpfungsgedicht vorangestellt, das in neun Zeilen von in Alliterationen gereimten Versen die Erschaffung der Welt aus dem Chaos zu erklären versucht. Dieses kleine literarische Monument gehört zu den frühesten schriftlichen Beispielen althochdeutscher Dichtung und stammt aus einer Sammelhandschrift, die um 814 hauptsächlich in lateinischer Sprache verfasst wurde, was sich durch eine Erwähnung des Todes Karls des Großen auf der letzten Seite feststmachen lässt. Die Handschrift ist auch für die Geschichte der deutschen Buchmalerei von Bedeutung, denn sie enthält 18 halbseitige Miniaturen zur Legende vom Wahren Kreuz. Diese stellt einen der frühesten Bildzyklen nichtbiblischen Inhalts in der Geschichte der deutschen Buchmalerei dar.

Wessobrunner Gebet

Das Wessobrunner Gebet ist eines der ältesten Beispiele althochdeutscher Dichtung und wurde wahrscheinlich bereits im späten 8. Jahrhundert geschrieben. Es wurde irgendwann nach 800 auf fol. 65v-66r in eine lateinische Handschrift eingefügt und ist in zwei Teile gegliedert: einen kurzen Text von neun unvollständigen Strophen im Stabreim, also im mit den gleichen Buchstaben anlautenden Versen, und das eigentliche Gebet in frei rhythmisierter Prosa. Das Fragment eines Schöpfungsmythos ist zugleich das älteste erhaltene Stück christlicher Stabreimdichtung. Es kontrastiert das Chaos vor der Schöpfung mit dem allmächtigen Gott im Kreis seiner Engel. Ein unbekannter Mönch beschloss um 814, das deutsche Gedicht in ein lateinisches Kompendium von etwa 70 Texten einzubauen, das in fünf Teile gegliedert ist.

Artefakt der deutschen Sprache

Nach dem bayerischen Dialekt zu urteilen, in dem es geschrieben wurde und der einige schwäbische Einflüsse aufweist, ist es wahrscheinlich im Bistum Augsburg entstanden, aber wahrscheinlich eher nicht in der Abtei Wessobrunn. Forschungen legen nahe, dass die Handschrift entweder in Regensburg, Benediktbeuern, Staffelsee oder Augsburg selbst geschaffen worden sein könnte. Interessanterweise gibt es auch einige Einflüsse aus dem Niederdeutschen und Angelsächsischen, wie z.B. den Einbau einer "Sternrune" in die erste Zeile des Gedichts durch den Schreiber. Das Werk hat sich unter dem Titel De poeta als einziger größerer deutscher Text in der lateinischen Handschrift erhalten, der Rest besteht aus Texten, die meist theologischer, aber auch geographischer und chronologischer Natur sind und in karolingischer Minuskel niedergeschrieben sind.

Die Legende vom Wahren Kreuz

Die Folios 1v -21r enthalten die Legende vom Wahren Kreuz, die durch 18 halbseitige Miniaturen illustriert ist. Die Federzeichnungen, die ebenfalls aus Bayern stammen dürften, sind einfach gehalten, haben ein zurückhaltendes Kolorit und stellen einen der frühesten Bildzyklen nichtbiblischen Inhalts in der Geschichte der deutschen Buchmalerei dar. Es handelt sich um den ältesten erhaltenen Bilderzyklus zu Kaiser Konstantin dem Großen (ca. 272-337) und seiner Mutter Helena. Der Legende nach ließ die Kaisermutter den heidnischen Tempel, der an der Stelle des Heiligen Grabes errichtet worden war, abreißen, damit an seiner Stelle eine christliche Kirche entstehen konnte. Bei der Zerstörung sollen drei Kreuze, der Titulus Crucis mit der Inschrift "Dies ist der König der Juden" und die Nägel, mit denen Jesus gekreuzigt wurde, freigelegt worden sein. Die drei Kreuze wurden zu einem Toten gebracht, der durch die Berührung des dritten Kreuzes erweckt wurde, das man daher für das Kreuz Christi hielt. Helena ließ diese Reliquien dann nach Konstantinopel schicken.

Kodikologie

Alternativ-Titel
Wessobrunn Book
Prayer of Wessobrunn
Wessobrunner Schöpfungsgedicht
Umfang / Format
198 Seiten / 18,5 × 14,1 cm
Herkunft
Deutschland
Datum
Um 814
Schrift
Karolingische Minuskel
Buchschmuck
18 halbseitige Federzeichnungen
Inhalt
Das Wessobrunner Gebet (fol. 65v-66r) in bayerischer Schriftsprache ist der einzige größere deutsche Text in der ansonsten lateinischen Sammelhandschrift, in der über siebzig Texte meist theologischen, aber auch geographischen und chronologischen Inhalts

Verfügbare Faksimile-Editionen:
Wessobrunner Gebet – Kurt Wolff Verlag – Clm 22053 – Bayerische Staatsbibliothek (München, Deutschland)
Kurt Wolff Verlag – München, 1922
Limitierung: 300 Exemplare
Detailbild

Wessobrunner Gebet

Eine Totenerweckung erweist das wahre Kreuz

Zwei Träger haben einen Mann im Totenbett für die „Kreuzesprobe“ zu Helena, hinten rechts, gebracht. Ein dritter Helfer berührt den Leichnam mit den ersten zwei Kreuzen, die keine Wirkung zeigen. Die halbseitige Miniatur zeigt aber auch das "Wahre Kreuz", das der Legende nach als letztes ausprobiert wird und den Toten ins Leben zurückholt. Es steht aufgerichtet auf der linken Seite und wartet darauf, das Wunder zu begehen. Das Bild hebt dem Text gegenüber demnach nicht das Wunder selbst, sondern den Weg dahin hervor.

Wessobrunner Gebet – Kurt Wolff Verlag – Clm 22053 – Bayerische Staatsbibliothek (München, Deutschland)
Einzelseite

Wessobrunner Gebet

Die Taufe des Judas Quiriacus

Die Legende besagt, dass Judas im Auftrag von Helena sowohl die drei Kreuze von Golgatha als auch die Nägel fand, mit denen Jesus gekreuzigt wurde. Beeindruckt von dem mit dem Kreuz vollbrachten Wunder der Erweckung eines Toten beschloss er, sich auf den Namen Judas Quiriacus oder Cyriacus taufen zu lassen, und wurde schließlich sogar Bischof von Jerusalem. Im Bilderzyklus der Legende vom Fund des Wahren Kreuzes erscheint er immer wieder in allen drei Rollen.

Auf dieser Seite ist die Taufe des Judas nach dem frühchristlichen Ritus dargestellt: Der Getaufte steht demütig in einem tiefen Taufbecken, während der Bischof das geweihte Wasser über ihn gießt. Der Sprechgestus seiner linken Hand deutet die rituellen Worte an, die er an den Täufling richtet. Am rechten Bildrand steht außerdem ein Salbgefäß auf einem Tisch, mit dessen Inhalt der Presbyter auf der linken Seite vermutlich den Körper des Täuflings vor der Taufe gesalbt hat.

Wessobrunner Gebet – Kurt Wolff Verlag – Clm 22053 – Bayerische Staatsbibliothek (München, Deutschland)
Faksimile-Editionen

#1 Wessobrunner Gebet

Kurt Wolff Verlag – München, 1922

Details zur Faksimile-Edition:

Verlag: Kurt Wolff Verlag – München, 1922
Limitierung: 300 Exemplare
Einband: Ledereinband mit Metallbeschlägen und Schließstift
Kommentar: 1 Band von Carl von Kraus und Annette von Eckhardt
Sprache: Deutsch
Faksimile: 1 Band Detailnahe Reproduktion des gesamten Originaldokuments (Umfang, Format, Farbigkeit). Der Einband entspricht möglicherweise nicht dem ursprünglichen oder aktuellen Dokumenteneinband.
Ausgabe bei uns verfügbar!
Price Category: €€
(1,000€ - 3,000€)
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