De Humani Corporis Fabrica - Andreas Vesalius
In der Mitte des 16. Jahrhunderts galt das Sezieren von Menschenleichen als absolutes Tabu und wurde mitunter schwer bestraft. Medizinische und anatomische Erkenntnisse wurden anhand der Untersuchung von Tierkadavern gewonnen. Dem ehrgeizigen Medizinstudent Andreas Vesalius war dies nicht genug. In abenteuerlichen Nacht-und-Nebel-Aktionen beschaffte er sich Leichen vom Friedhof und führte an ihnen Untersuchungen durch, die den Grundstein unserer heutigen Anatomie bildeten. Seine Erkenntnisse hielt Vesalius in seinem anatomischen Atlas „De Humani Corporis Fabrica“ und in der verkürzten Fassung „Epitome“ fest. Diese medizinische Abhandlung ist eines der wichtigsten Werke über die menschliche Anatomie, die je verfasst wurde und ist mit meisterhaften Holzschnitten illustriert.
De Humani Corporis Fabrica – Andreas Vesalius
Der medizinische Atlas „De Humani Corporis Fabrica“ ist das Hauptwerk des Anatomen und Mediziners Andreas Vesalius. Diese Buchreihe ist bis heute ein Grundlagenwerk der Anatomie, da es erstmals in der Geschichte empirische Forschung anhand von menschlichen Leichen vorstellt. Vor Vesalius wurde medizinische Forschung ausschließlich an Tierkörpern durchgeführt. Eigentlich besteht dieses äußerst umfangreiche Werk aus sieben Bänden, es liegt allerdings auch in einer stark verkürzten Fassung mit dem Titel „Epitome“ vor. Die „Epitome“ besteht aus 30 Holzschnitten, die sowohl aus künstlerischer als auch aus medizinischer Sicht von außerordentlicher Bedeutung sind. Andreas Vesalius gilt als der Begründer der modernen Anatomie und hinterließ mit seiner medizinischen Abhandlung einen absoluten Meilenstein der Buchkunst.
Die konservative Anatomie des Mittelalters
Im Frankreich des Jahres 1533 basierte sämtliches medizinisches Wissen, das an Universitäten und anderen hohen Bildungsinstitutionen gelehrt wurde, auf den Erkenntnissen des römischen Arztes Claudius Galen aus dem zweiten Jahrhundert. Galens zahlreiche medizinische Abhandlungen entstanden zu einer Zeit, als das römische Recht die Sektion menschlicher Körper verbat. Somit behalf sich Galen mit dem Studium von Tierkörpern und schloss von ihrer Anatomie auf die des Menschen. Unstimmigkeiten und Abweichungen wurden von den Professoren des Mittelalters einfach übergangen oder durch abenteuerliche Theorien erklärt. Der ehrgeizige und begabte Medizinstudent Andreas Vesalius, der 1533 das Studium der Anatomie in Paris antrat, wollte sich mit diesen unzureichenden Erklärungen nicht zufriedengeben.
Vesalius, ein Pionier der Medizin
Andreas Vesalius kam im Jahr 1514 in Brüssel zur Welt. Er war der Sohn eines Apothekers und kam schon früh mit der Medizin in Berührung. Im Alter von 15 Jahren studierte er an der Universität Löwen die klassischen Fächer Grammatik, Rhetorik, Algebra und Astrologie sowie Musik, außerdem Griechisch und Hebräisch. Mit 18 Jahren begab er sich zum Studium der Medizin und der Anatomie nach Paris. Hier wurde der außergewöhnlich zielstrebige Student bald von seinen Dozenten und Professoren mit dem Sezieren von Leichen in ihren Vorlesungen betraut. Durch seine Beobachtungen und Erkenntnisse entwickelte er sich schnell zum Experten für die Anatomie des Menschen. 1537 ging Vesalius nach Padua, einer Hochburg der modernen Anatomie seiner Zeit, promovierte dort zum Doktor der Medizin und wurde noch am selben Tag zum Professor für Chirurgie ernannt. Im jungen Alter von 28 Jahren veröffentlichte Vesalius sein literarisches Hauptwerk „De humani corporis fabrica libri septem“. Das monumentale Werk in sieben großformatigen Bänden, mit fast siebenhundert Seiten und mehr als zweihundert Illustrationen gilt noch heute als Meilenstein der empirischen Forschung. In dieser Buchreihe fasste Vesalius all seine eigenen Erkenntnisse über den menschlichen Körper zusammen und wich darin zum großen Teil von den bisherigen, konservativen Forschungsmeinungen ab. Wenige Monate später publizierte er eine Kurzfassung mit dem Titel „Epitome“, was so viel wie „Auszug“ bedeutet. Diese Schrift wurde in kürzester Zeit zum Standardwerk der Studenten und Mediziner.
Medizinische Meisterarbeit und kunstvolle Illustration
Zum Erfolg des „Epitome“ trugen ganz wesentlich die kunstvollen Holzschnitte bei, die das Werk illustrieren. Die Vorlagen dazu stammen vermutlich zum Teil von Vesalius selbst, zum Teil von Jan Stephan van Calcar, einem der begabtesten Künstler aus der Werkstatt des großen Malers Tizian. Die detailreiche, elegante und oft allegorische Präsentation des menschlichen Körpers wirkt wie eine Vorlage für die Ausstellung „Körperwelten“, mit der der deutsche Arzt und Anatom Gunther von Hagens heute deutschlandweit für Aufsehen sorgt. Manche der von Vesalius geprägten Begriffe haben sich bis heute erhalten, so der Name Hammer und Amboss für zwei der Gehörknöchelchen. Die Bedeutung Vesalius’ für die Medizin wird oft mit der von Kopernikus für die Astronomie verglichen. Mit seinem anatomischen Atlas gelang es ihm, den vorherrschenden Autoritätsglauben durch Empirie zu ersetzen und das Sezieren von Leichen gesellschaftsfähig zu machen. Zu seinem großen Ruhm trugen zusätzlich dramatische Geschichten bei, die über das Schaffen des Mediziners berichtet wurden. So soll er Leichen in finsterer Nacht auf dem Friedhof gestohlenen oder vom Galgen geschnittenen und in die Stadt geschmuggelt haben. Vesalius ging als Wissenschaftler und Abenteurer, der mit Leib und Leben für seine Forschung kämpfe, in die Geschichte der Medizin ein.
Kodikologie
- Alternativ-Titel
- Astronomischer Atlas des Andreas Vesalius
Atlas Anatomiczny A. Vesalius'a - Herkunft
- Schweiz
- Datum
- 1555
- Stil
- Sprache
- Buchschmuck
- 30 Drucke in Originalgröße, unterteilt in drei Gruppen: das Hautsystem, das Muskelsystem und das Kreislaufsystem
- Künstler / Schule
- Andreas Vesalius, geb. Andries van Wezel (1514-1564), Werkstatt des venezianischen Malers Tizian (Illustratoren)
Jan Stephan van Calcar (ca. 1499-1546) (Graveur)
Johannes Oporinus (1507-1568) (Drucker)
De Humani Corporis Fabrica - Andreas Vesalius
Autorenportrait
Andreas Vesalius ist in diesem meisterhaften Holzschnitt dargestellt und schaut den Betrachter an, als hätten Sie ihn gerade bei seinem Vortrag unterbrochen und er bringt Sie nun mit einem Blick zum Schweigen. Mit kurzen Haaren und einem dichten, gepflegten Bart wirkt er selbstbewusst, fast schon übermütig und ist als solcher in schönes Brokat gekleidet. Er hält die Arme einer Leiche, deren Haut schon entfernt wurde, um die Muskulatur, Sehnen, Nerven und andere Systeme des menschlichen Körpers zu erkennen und um das Wunder der Natur, das die menschliche Hand ist, vorzuführen.
De Humani Corporis Fabrica - Andreas Vesalius
Titelseite - Autopsie einer menschlichen Leiche im Hörsaal
Die Sezierung des menschlichen Körpers war lange Zeit umstritten. Auch schon bevor sie von christlichen Theologen verboten wurde, reichen im Abendland die Wurzeln der Zurückweisung einer "Schändung" des menschlichen Körpers bis in die griechische und römische Antike zurück. Der römische Kaiser Friedrich II. (1194-1250) war der erste, der von Medizinstudenten forderte, dass sie an menschlichen Sezierungen teilnahmen, und zur Zeit der Renaissance wurden Autopsien an europäischen Universitäten schließlich Standard.
Andreas Vesalius, der Autor dieses Textes, ist links von der Leiche abgebildet, wobei seine rechte Hand leicht auf dem geöffneten Unterleib ruht. Er steht im Zentrum des detaillierten Holzschnitts, der einen überfüllten Saal voller Menschen zeigt, die alle einen Blick auf die Autopsie erhaschen wollen. Das Gespenst des Todes steht in Form eines senseschwingenden Skeletts in zentraler Position am Kopfende des Seziertisches.
#1 Atlas Anatomiczny A. Vesalius'a
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