100 Bilder der Weisheit

100 Bilder der Weisheit – Müller & Schindler – Ms 74 G 27 – Koninklijke Bibliotheek den Haag (Den Haag, Niederlande)

Paris (Frankreich) — 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts

Von einer der ersten Schriftstellerinnen der europäischen Geschichte: Christine de Pizans Briefe der Weisheitsgöttin Othea mit Ratschlägen an den trojanischen Helden Hector als Einblick in die Moralvorstellungen des Spätmittelalters

  1. Christine de Pizan (1364 - ca. 1430) führte ein ungewöhnliches Leben und wurde die erste unabhängige und berühmte mittelalterliche Schriftstellerin

  2. Ihre berühmten Briefe der Göttin der Weisheit an den trojanischen Helden Hector verbinden moralische Maximen mit alter Mythologie

  3. Die berühmte Autorin und allein erziehende Mutter arbeitete am Hof des französischen Königs Karl V. (1338–80), einem Zentrum für Kunst und Kultur

100 Bilder der Weisheit

Ms 74 G 27 Koninklijke Bibliotheek den Haag (Den Haag, Niederlande)
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100 Bilder der Weisheit

Christine de Pizan war im Alter von 25 Jahren verwitwet und Mutter von drei Kindern. Anstatt wieder zu heiraten oder in ein Kloster einzutreten, nutzte sie ihre umfassende Bildung, um sich als Kopistin und Autorin selbstständig zu machen und unabhängig zu leben. Damit war sie die erste bekannte professionelle Laienschriftstellerin in Europa. Obwohl ihr Werk sehr vielfältig ist, schrieb sie vor allem philosophische und moralische Texte über die Rolle der Frau in der Gesellschaft. Das vorliegende Werk besteht aus einer Reihe von 100 fiktiven Briefen einer antiken Göttin der Weisheit namens Othea an den fünfzehnjährigen trojanischen Helden Hektor, in denen sie ihm beibringt, wie er ein wahrer Ritter werden kann. Es ist prächtig illustriert mit 98 meist halbseitigen Miniaturen von höchster Qualität sowie kunstvollen Bordüren, Blattranken und Zierinitialen. Künstler aus dem Umkreis von Barthélemy d'Eyck und Jean Fouquet sowie der Piccolomini-Meister verwendeten leuchtende Farben, Gold und Silber, um eine der schönsten französischen Handschriften der Spätgotik zu schaffen.

Christine de Pizans Othea-Brief: 100 Bilder der Weisheit

Höfische Damen, edle Ritter, Monster und Tiere und überbordende Blumenranken – all dies vereint die prächtig illustrierte Handschrift der Othea-Briefe von Christine de Pizan. Als eine der interessantesten Frauenfiguren des Mittelalters lebte sie ein ungewöhnliches Leben und wurde zur ersten selbständigen Schriftstellerin des Abendlandes. Ihr berühmtes Werk rund um die fiktiven Briefe einer antiken Göttin vereint moralische Lebensweisheiten mit mythologischen Erzählungen. Die Handschrift mit unzähligen Illustrationen zählt zu den beeindruckendsten Werken französischer Buchkunst des 15. Jahrhunderts.

Ein ungewöhnliches Leben

Grundlage für den schriftstellerischen Erfolg der Autorin war die umfassende humanistische Bildung, die Christine de Pizan schon von frühester Kindheit an erfuhr. Ihr Vater, ein venezianischer Mediziner, Astronom und Astrologe, brachte das erst vierjährige Mädchen 1368 mit an den französischen Königshof Karls V. Der französische Königshof war ein Zentrum der Künste, Sammelbecken der begabtesten Künstler und größten Namen der damaligen Zeit, die von den kunstsinnigen Herrschern nach Paris geholt wurden. Dieses höfische Umfeld prägte und beeinflusste Christine de Pizan sowohl in ihrer Lebens- und Denkweise als auch in ihrem künstlerischen Schaffen. Ihre besondere Verbundenheit mit dem herrscherlichen Umfeld zeigt auch die Tatsache, dass sie alle ihre Werke dem König und seiner Gemahlin Isabeau de Bavière und weiteren hochrangigen Adligen, etwa Philipp von Burgund oder Herzog Jean de Berry, widmete.

Eine bedeutende Schriftstellerin und ihr berühmtes Werk

Am Königshof erlangte sie folglich nicht nur eine umfassende Bildung, sondern auch große Beliebtheit. Nachdem sie - Mutter dreier Kinder - mit nur 25 Jahren zur Witwe wurde, schlug sie nicht den sonst üblichen Weg einer erneuten Heirat oder eines Eintritts in ein Kloster ein, sondern entschied sich für eine ungewöhnlich selbstbewusste Lebensweise für eine Frau im 14. Jahrhundert. Sie nutzte ihre literarische Bildung, ihre Kenntnisse auf dem Feld sowohl der antiken als auch der mittelalterlichen Schriftsteller und deren Werke und ihr Interesse an der Literatur und wurde fortan selbst als Kopistin und schließlich Autorin tätig. Zu ihren Werken gehörten weltliche und geistliche Lyrik, eine Biographie König Karls V., ein Gedicht auf Jeanne d'Arc, autobiographische Schriften und vor allem philosophisch-moralische Lehrbücher, hauptsächlich zum Thema der Rolle der Frau in der Gesellschaft. Ihr „Buch von der Stadt der Frauen“ (1404/1405) ist noch heute bekannt. Doch besonders berühmt sind ihre schon zu Lebzeiten weit verbreiteten Othea-Briefe aus dem Jahr 1400.
Die Bilderhandschrift aus der Königlichen Bibliothek in Den Haag vereint diese fiktiven Briefe einer antiken Göttin der Weisheit namens Othea mit unzähligen Illustrationen, die in ihrer Kunstfertigkeit noch heute erstaunen. Othea gibt dem fünfzehnjährigen trojanischen Helden Hector 100 Ratschläge, deren Befolgung ihn zu einem wahren Ritter machen: die 100 Bilder der Weisheit. Christine de Pizan ging bei ihrer Erzählung von mythologischen Geschichten aus, beispielsweise aus dem trojanischen Sagenkreis oder Ovids Metamorphosen. Auf dieser Basis gibt sie Ratschläge für ein rechtschaffenes Leben, ein sehr erfolgreicher Erziehungsratgeber.

Überwältigende Bilderpracht

98 Miniaturen, meist halbseitig, bebildern diese 100 Bilder der Weisheit mit mythologischem Ursprung. Sowohl die Bildszenen als auch die künstlerische Ausgestaltung der Handschrift mit Bordüren, Blattranken und Initialen künden vom hohen Wert des Buches. Leuchtende Farben und strahlendes Gold und Silber betonen die feine Malerei der Miniaturen. Der Künstler, dessen Name und Identität bis heute ein Geheimnis ist, muss unzweifelhaft zu den größten seiner Zeit gehört haben. In der Forschung werden dabei die berühmten Namen Barthélemy d'Eyck, Jean Fouquet oder Guillaume Jouvenel des Ursins und sein Umkreis diskutiert. Die unverhohlene Pracht der reich bebilderten Handschrift lässt einen hochrangigen Auftraggeber, wohl auch aus dem Umkreis des französischen Hofes, vermuten.

Kodikologie

Alternativ-Titel
Christine de Pizans Otheabriefe
Hundred Images of Wisdom - Christine de Pizan's Letter of Othea
100 Images of Widsom
100 imagénes de sabiduria, Cristina de Pizan
Epistola di Othea
Épitre d'Othéa
Art
Handschrift auf Pergament
Umfang / Format
192 Seiten / 20,0 × 13,5 cm
Herkunft
Frankreich
Datum
2. Hälfte des 15. Jahrhunderts
Epoche
Spätes Mittelalter und jünger
Stil
Gotisch
Genre
Literatur / Dichtung
Mythologie / Prophezeiungen
Sprache
Französisch
Schrift
Gotische Kursive
Buchschmuck
98 Miniaturen. Jedes bemalte Seite geschmückt mit feinen Bordüren, der Text selbst mit unzähligen goldenen Initialen und farbigen dekorativen Elementen verziert
Inhalt
Fiktive Briefe einer antiken Göttin, die moralische Lebensweisheiten mit mythologischen Erzählungen verbinden
Auftraggeber
Jacques d’Armagnac (um 1433–77) oder Karl von Frankreich, Herzog von Berry (1446–72)
Künstler / Schule

Verfügbare Faksimile-Editionen:
100 Bilder der Weisheit – Müller & Schindler – Ms 74 G 27 – Koninklijke Bibliotheek den Haag (Den Haag, Niederlande)
Müller & Schindler – Simbach am Inn, 2009
Limitierung: 990 Exemplare

100 Bilder der Weisheit – Eikon Editores – Ms 74 G 27 – Koninklijke Bibliotheek den Haag (Den Haag, Niederlande)
Eikon Editores – Madrid, 2009
Limitierung: 990 Exemplare
Detailbild

100 Bilder der Weisheit

Neptun beschützt ein Schiff

In dieser Miniatur wird eine typische mittelalterliche Galeere gezeigt. Die breiten Planken des Schiffs werden durch goldene Tintenstriche wunderbar hervorgehoben und die Seeleute drängen sich auf dem Vorderdeck zusammen. Sie segeln nur scheinbar ruhig im türkisfarbenen Meer, denn der erste Eindruck täuscht: Die Masten drohen unter der Last der aufgeblähten Segel umzustürzen, als im richtigen Moment ein bärtiger Mann am Himmel erscheint, mit seiner Hand den Mast stützt und so das Schiff in Sicherheit bringt. Es ist Neptun, der Gott des Meeres, den Odysseus beleidigt hatte und sich so den Zorn des antiken Gottes zugezogen hatte.

100 Bilder der Weisheit – Müller & Schindler – Ms 74 G 27 – Koninklijke Bibliotheek den Haag (Den Haag, Niederlande)
Einzelseite

100 Bilder der Weisheit

Circe und Odysseus

In der Odyssee fliehen Odysseus und seine Gefährten nach der Zerstörung Trojas und kommen irgendwann auf die Insel Aiaia, die Heimat der Göttin und Zauberin Kirke. Sie verwandelt die Hälfte der Gefolgsleute des Odysseus in Schweine, nachdem sie sie zunächst freundlich mit einem Festmahl aus Käse und Wein bewirtet hatte. Mit Hilfe von Hermes bringt Odysseus Kirke aber zum Glück dazu, seine Männer wieder zurückzuverwandeln.

Man erzählt über Kirkes Palast, dass er von ungewöhnlich fügsamen Löwen und Wölfen umgeben war – früheren Opfern ihrer Zauberei, von denen eines hinter Kirke in Gelb und Blau dargestellt ist. Obwohl Odysseus der Magie Kirkes widerstehen kann, verführt sie ihn, der daraufhin ein Jahr lang auf der Insel isst und trinkt und zwei Söhne mit ihr zeugt. Odysseus wird daher als der gut gekleidete junge Adlige dargestellt, der links von Kirke steht.

100 Bilder der Weisheit – Müller & Schindler – Ms 74 G 27 – Koninklijke Bibliotheek den Haag (Den Haag, Niederlande)
Faksimile-Editionen

#1 100 Bilder Der Weisheit - Christine De Pizans Othea-Brief

Müller & Schindler – Simbach am Inn, 2009

Details zur Faksimile-Edition:

Verlag: Müller & Schindler – Simbach am Inn, 2009
Limitierung: 990 Exemplare
Einband: Blauer Rohseideneinband nach dem Original aus dem 15. Jahrhundert
Kommentar: 1 Band von Eberhard König, Dieter Röschel, Robert Schindler und Siegbert Himmelsbach
Sprache: Deutsch
Faksimile: 1 Band Detailnahe Reproduktion des gesamten Originaldokuments (Umfang, Format, Farbigkeit). Der Einband entspricht möglicherweise nicht dem ursprünglichen oder aktuellen Dokumenteneinband.
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#2 100 imágenes de sabiduría - La Epistre Othea de Christine de Pizan

Eikon Editores – Madrid, 2009

Details zur Faksimile-Edition:

Verlag: Eikon Editores – Madrid, 2009
Limitierung: 990 Exemplare
Einband: Blauer Rohseideneinband nach dem Original aus dem 15. Jahrhundert
Kommentar: 1 Band von Eberhard König, Dieter Röschel, Robert Schindler und Siegbert Himmelsbach
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