Buch der Kathedralen
Dieses geheimnisvolle Fragment einer Handschrift des 13. Jahrhunderts ist die bedeutendste Abhandlung zur Architektur aus dem Hochmittelalter. El Libro de las Catedrales ist ein enzyklopädischer Text, der eine Vielzahl von Themen behandelt: Steinmetzarbeit, Architektur, Vermessungstechnik, Schreinerhandwerk, Geometrie, Zoologie und mechanische Konstruktionen der damaligen Zeit, die für die spektakuläre und geheimnisvolle Kunst des Kathedralbaus Relevanz besaßen. Fast nichts ist hingegen über den Autor selbst, Villard de Honnecourt, bekannt, außer dass er, wie sein Name und sein altfranzösischer Dialekt nahelegen, wahrscheinlich aus der Picardie in Frankreich stammte. Sein Skizzenbuch ist eines der wichtigsten Manuskripte, das aus dem 13. Jahrhundert erhalten geblieben ist, und Honnecourt selbst gilt vielen als Vorläufer des späteren Universalgelehrten der Renaissance, Leonardo da Vinci.
Villard de Honnecourt: Das Buch der Kathedralen
„Villard de Honnecourt grüßt Euch und bittet all jene, die mit diesen Konstruktionen, die man in diesem Buch findet, arbeiten werden, für seine Seele zu beten und sich seiner zu erinnern. Denn in diesem Buch kann man großen Rat finden über die Fertigkeit der Maurerei und der Konstruktionen der Zimmerei, und Ihr werdet die Fertigkeit des Zeichnens finden, die Grundzüge, wie die Kunstfertigkeit der Geometrie sie verlangt und lehrt.“
So beginnt dieses einzigartige Manuskript aus dem 13. Jahrhundert, das die wichtigste Abhandlung zur Architektur des Hochmittelalters enthält. El Libro de las Catedrales ist ein enzyklopädischer Text, der eine Bandbreite von Themen behandelt: Steinmetzarbeit, Architektur, Vermessungstechnik, Schreinerhandwerk, Geometrie, Zoologie und diverse mechanische Konstruktionen der damaligen Zeit, die im Zusammenhang mit der spektakulären und geheimnisvollen Kunst des Kathedralbaus stehen. All diese Themen finden sich auf 66 Seiten in 250 Diagrammen illustriert. Anhand des Stils der dargestellten Architektur liegt die Vermutung nahe, dass Honnecourt Kathedralen unter anderem in Frankreich, Ungarn und in der Schweiz selbst besucht hat. Heute ist das umfassende Kompendium nur als Fragment des ursprünglichen Manuskripts erhalten, das ca. 1225–35 entstanden ist. Im 19. Jahrhundert wiederentdeckt, befindet sich das Werk heute in den Sammlungen der Nationalbibliothek Frankreichs und gilt als eines der bedeutendsten Manuskripte, die aus dem 13. Jahrhundert erhalten sind.
Mysteriöser Universalgelehrter des Hochmittelalters
Villard de Honnecourt ist ein rätselhafter Universalgelehrter des Hochmittelalters, der vielen als Vorläufer des großen Leonardo da Vinci gilt. Jedoch ist nur wenig über ihn bekannt, in der Tat, sein Musterbuch ist das einzige Dokument, das seine Existenz bezeugt. Während sein Vorname in den Varianten Villars und Vilars auftaucht, geben sein Nachname sowie der von ihm verwendete altfranzösische Dialekt Hinweis darauf, dass er aus der Picardie in Frankreich stammte, genauer aus der Gemeinde von Honnecourt-sur-Escaut, die um eine benediktinische Abtei herum entstanden war. Honnecourt selbst beschreibt sich sowohl als Soldat als auch als Baumeister, so dass die Vermutung naheliegt, dass seine Entwürfe für militärische Konstruktionen auf der Grundlage persönlicher Kriegserfahrung basierten. Im Hochmittelalter waren Belagerungen das kriegerische Hauptmittel, die Überwindung steinerner Befestigungsanlagen erforderte eine Menge Geduld – die gegnerischen Verteidiger sollten ausgehungert werden – aber auch innovative Konstruktionen wie etwa Belagerungstürme, Katapulte und Maueruntergrabungen. So gesehen war der hochmittelalterliche Kriegsschauplatz weitaus technischer als wir heute annehmen, und es herrschte dort genügend Nachfrage nach Proto-Ingenieuren wie Honnecourt. Dennoch scheint es unwahrscheinlich, dass er als Architekt aktiv war, weisen seine Darstellungen doch einige Ungenauigkeiten und Widersprüchlichkeiten auf, die man von einem professionellen Architekten nicht erwarten würde. Naheliegender ist es, dass er wohl als Amateurarchitekt einer Beschäftigung nachging, die der Architektur verwandt war und für die ebenfalls Kenntnisse der Arithmetik und Geometrie erforderlich waren. Da jedoch so wenig über den Autor und sein Werk bekannt ist, bewegen sich jegliche Annahmen letztendlich im Bereich der Spekulation.
Neuartige Maschinen
Honnecourt war der erste Europäer, der ein Perpetuum mobile entwarf. In einer Zeit ohne Strom und Elektrizität wäre eine derartige Konstruktion wahrlich ein Wunderding auf einer mittelalterlichen Baustelle gewesen. Schon in der Renaissance jedoch meldete Leonardo da Vinci erste Zweifel an der Möglichkeit solch eines fiktiven Geräts an und natürlich wissen wir heute, dass er recht hatte und Perpetuum-mobile-Maschinen nicht realisierbar sind, da sie den ersten zwei Hauptsätzen der Thermodynamik widersprechen. Nichtsdestotrotz vermag die Idee auch heute noch zu faszinieren. Honnecourt entwarf auch Automaten und Pseudo-Roboter, die besonders als Kuriosität und als Mittel zur Darstellung von Reichtum und Kultiviertheit im Mittelalter beliebt waren. Die berühmtesten Beispiele dieser Art befanden sich in Konstantinopel: im Thronsaal der byzantinischen Kaiser standen vergoldete Automaten wie beispielsweise ein Baum voll singender Vögel, brüllende Löwen und ein Thron, der gehoben und gesenkt werden konnte – all dies, um die Besucher zu beeindrucken und ihnen den Status der Byzantiner als Erben des Römischen Reichs zu verdeutlichen. Auch andere, praktischere Geräte für den Bau und für Belagerungskriege entwickelte Honnecourt.
Sein Buch enthält Skizzen von Hebevorrichtungen, wasserangetriebene Sägen, Katapulten und anderen Kriegsmaschinen, die durchaus praktikabel und ausführbar wirken, wenngleich die Zeichnungen einfach und gelegentlich ungenau sind. Möglich ist auch, dass die Skizzen absichtlich vereinfacht gehalten waren, um sie nur jenen zugänglich zu machen, die in die Geheimnisse der Architektur- und Ingenieurskunst eingeweiht waren. Aber auch das ist wiederum nur Spekulation.
Kodikologie
- Alternativ-Titel
- Book of Cathedrales
El Libro de las Catedrales
Sketchbook of Villard de Honnecourt
Villard de Honnecourt, Album de dessins et croquis
El Libro de las Catedrales
Le carnet de Villard de Honnecourt
Cuaderno de Bocetos de Villard de Honnecourt
The Portfolio of Villard de Honnecourt - Umfang / Format
- 66 Seiten / 23,2 × 15,2 cm
- Herkunft
- Frankreich
- Datum
- Um 1220
- Epoche
- Stil
- Sprache
- Buchschmuck
- Über 250 großartige Illustrationen zu sämtlichen Themen des Werks
- Inhalt
- Das Buch der Kathedralen ist ein Skizzenbuch mit nahezu enzyklopädischem Charakter, in dem es um Architektur, Vermessung, Mauerwerk, Tischlerei, Geometrie, Zoologie und zeitgenössische mechanische Geräte im Zusammenhang mit der geheimnisvollen Kunst des K
- Künstler / Schule
- Villard de Honnecourt
- Vorbesitzer
- Jehanne Martian
J. Mancel
André Félibien
Buch der Kathedralen
Männer mit wildem Haar- und Bartwuchs
Auf seinen Reisen durch Europa, bei denen er viele Kathedralen aufsuchte, sah Villard de Honnecourt zweifellos viele schöne Beispiele der Steinmetzkunst, darunter auch hübsche Figuren. Hier sehen wir die Gesichter zweier bärtiger Männer, deren Haarenden jedoch durch blattartige Ranken ersetzt sind. Beide sind kunstvoll arrangiert, der linke mit nach oben und der rechte mit nach unten gebogenen Blättern. Vielleicht richteten diese stark stilisierten Gesichter ihren bizarren Blick vom Steinrelief auf Honnecourt oder auf eine Kathedrale oder eine Abtei, die er auf seinen Reisen besuchte.
Buch der Kathedralen
Studie der Fenster hinter einem Altar
Diese Studie aus dem 13. Jahrhundert stellt die Fenster dar, die den Altar typischerweise an der Ostseite einer Kathedrale einfassen, und versucht, mit Hilfe der Perspektive zu zeigen, wie die beiden äußeren Fenster das Zentrum flankieren. Dass es sich um eine gotische Kathedrale handelt, zeigen die großen Fenster mit Spitzbögen und steinernem Maßwerk, die durch die fliegenden Strebepfeiler an der Außenseite ermöglicht werden (nicht abgebildet).
Leichtere Rippengewölbe trugen zu der helleren, eleganteren Ästhetik bei, die durch die größeren Fenster der gotischen Kirchen erzeugt wurde. Hohe Fenster dieser Art säumten gewöhnlich die Seitenschiffe einer gotischen Kathedrale, wurden aber manchmal auch so angeordnet, um einen Altar zu rahmen und ihm zu ermöglichen, Licht aus möglichst vielen Richtungen zu empfangen. Die Notizen und Anweisungen des Villard de Honnecourt füllen die Seitenränder.
#1 El Libro de las Catedrales
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