Die Geschichte der Stadt Troja
Der mittelalterliche Codex, der unter dem Siglum MS 17805 heute in der Spanischen Nationalbibliothek in Madrid aufewahrt wird, beinhaltet eine der eindrucksvollsten und schönsten illuminierten Historien vom Trojanischen Krieg. Als Verfasser dieser lateinischen Prosaerzählung gilt der italienische Jurist, Dichter und Historiker Guido delle Colonne (ca. 1210–1287) aus den Dichterkreisen am Hof Kaiser Friedrichs II. und seines Sohnes Manfred. Die Abschrift in MS 17805 ist durchgehend in schwarzer Tinte geschrieben, nur für das einleitende Incipit verwendete der Schreiber rot. Aufwendige, historisierte Initialen aus erhöhtem, prägepoliertem Gold und umgeben von floralem Rankenwerk gliedern den Text; dazwischen liefern farbenprächtige und detaillierte Miniaturen bildliche Ergänzungen zu den geschilderten Ereignisse. Als Herstellungsort und -zeitpunkt der Handschrift wird Venedig in den Jahren 1340–1350 angenommen, im 16. Jahrhundert ist ihr Besitz in Spanien bezeugt, wohin sie vermutlich in den Wirren der Italienkriege gelangte. Der Troja-Stoff erfuhr seit der Antike vielfache Bearbeitung und inspirierte viele Werke (z.B. Vergil, Dictys und Dares etc.); einzig in MS 17805 finden sich jedoch Beschreibungen von Brauchtum, Alltagsvergnügungen und anderen Besonderheiten des Lebens in der Stadt vor ihrem Untergang. Damit ist die Historia Civitatis Troiane nicht nur inhaltlich einzigartig, sie ist auch eines der schönsten und kunstvollsten Bücher vom Troja-Mythos.
Historia Civitatis Troiane
Unter den geistigen Strömungen, die sich in der Renaissance entfalteten, entwickelte besonders die Faszination mit den Mythen und Geschichten der klassischen Antike eine treibende Kraft. Kaum ein Erzählstoff rief jahrhundertelang eine ähnliche Begeisterung hervor wie der Mythos des Trojanischen Krieges. Liebe und Leidenschaft, Rache und Verrat, Krieg und Heldentum - der Stoff hat alle Zutaten, die die Phantasie des mittelalterlichen und auch des modernen Publikums seit jeher beflügelten. Eine Nacherzählung verdient besondere Beachtung, da sie im Gegensatz zu allen übrigen, die in erster Linie vom Krieg und Untergang der Stadt Troja handeln, auch Szenen aus dem Alltagsleben in der Stadt vor ihrer Zerstörung schildert: die Handschrift MS 17805 der Spanischen Nationalbibliothek, bekannt auch als Historia Civitatis Troiane. Diese wurde gegen Ende des 13. Jahrhunderts von dem Italiener Guido delle Colonne, ein bekannter Jurist, Dichter und Historiker am Hof Friedrich II., in mittelalterlichem Latein verfasst. Die Handschrift ist in schwarzer und roter Tinte geschrieben und reich mit leuchtend farbigen Miniaturen illuminiert.
Ein Juwel der Frührenaissance
Die Gestaltung von Colonnes Prosaerzählung zur Prachthandschrift fand in einem venezianischen Atelier in den Jahren 1340–1350 statt: sie wurde mit 93 überaus detail- und farbenreichen Miniaturen ausgeschmückt, Initialen wurden mit erhöhtem, prägepoliertem Gold illuminiert und teilweise auch Seitenränder mit rankenden Pflanzenmustern verziert. Obwohl die Erzählung vom Untergang der Stadt Troja in vielen Varianten tradiert wird, ist die Version in MS 17805 doch singulär, insofern sie als einzige Gewohnheiten, Bräuche und Alltagsvergnügungen der Stadtbewohner schildert. Die Identitäten des Auftraggebers der Arbeit sowie der verantwortlichen Buchkünstler geben zwar weiterhin Rätsel auf, doch sind in den Illuminationen deutliche Einflüsse des venezianischen Künstlers und Malers Paolo Veneciano zu erkennen. Die Handschrift ist ein herausragendes und einzigartiges Kunstwerk aus der frühen venezianischen Renaissance.
Rätselhafte Reise von Italien nach Spanien
In seiner bekannten Studie zu MS 17805 (1971) lieferte der Kunsthistoriker Hugo Buchthal einige Aufschlüsse über die Entstehung und turbulente Überlieferung der Handschrift. So gilt zwar nicht als gesicherte doch als plausible Annahme, dass der Codex während der Italienkriege im 16. Jahrhundert, als die europäischen Westmächte um die Vormachtstellung auf der Apenninhalbinsel rangen, nach Spanien gelangte. Nach Buchthal war die Handschrift dort im Besitz des humanistischen Gelehrten Alvar Gómez de Castro. Ein Anagramm auf den Eingangsseiten weist den Marqués de las Navas als weiteren Eigentümer aus. Im Jahr 1899 erreichte die wertvolle Handschrift ihren heutigen Aufbewahrungsort in der Spanischen Nationalbibliothek als Teil der Sammlung des Orientalisten Pascual de Gayangos.
Kodikologie
- Alternativ-Titel
- History of the City of Troy
Historia Civitatis Troianae - Umfang / Format
- 294 Seiten / 28,5 × 19,0 cm
- Herkunft
- Italien
- Datum
- 1340–1350
- Stil
- Sprache
- Schrift
- Bastarda
- Buchschmuck
- 93 unterschiedlich große, kunstvolle Miniaturen, diverse goldene Initialen mit farbenfrohen Rankenausläufern sowie eine reich illuminierte Incipit-Seite mit großer historisierter Initiale und opulenter Bordüre
- Inhalt
- Erzählung über die Zerstörung Trojas durch die Griechen
- Künstler / Schule
- Stark beeinflusst durch Paolo Veneziano
- Vorbesitzer
- Alvar Gómez de Castro
Marqués de Navas
Die Geschichte der Stadt Troja
Historisierte S-Initiale
Auf der ersten Textseite dieses wunderbaren Exemplars des im Mittelalter so berühmten Trojanischen Epos von Guido delle Colonne zeigt diese S-Initiale einen Kriegerkönig, der unter einer Menge edler Herren und Damen gekrönt und bewaffnet präsentiert wird. Der glänzende Blattgoldgrund schimmert wunderschön und zieht sofort den Blick des Betrachters auf sich. Dieses Manuskript zeichnet sich durch die Darstellung des mittelalterlichen Lebens aus, und der Künstler beginnt damit schon, noch bevor der Leser die erste Miniatur zu Gesicht bekommen hat.
Die Geschichte der Stadt Troja
Der Angriff auf Troja
Während die Trojaner schliefen, tauchten Odysseus und seine dreißig Achäer aus ihrem großen hölzernen Pferd auf, töteten die Wachen und öffneten die Stadttore. Diese berühmte List beendete den Krieg und führte zur Zerstörung Trojas. Die Ereignisse werden hier in zwei Miniaturen dargestellt, feine Exemplare venezianischer Buchmalerei, die reich koloriert und gleichermaßen detailliert sind.
Der Angriff wird vom Trojanischen Pferd im oberen Register aus gestartet, und die Armee der Griechen, die vorgetäuscht hatte, sich zurückzuziehen, war nur außer Sichtweite gesegelt und kehrt nun zurück, geht von Bord und wartet darauf, die Tore zu stürmen. Unten kniet König Priamos vor dem Altar des Zeus im Palasthof, kurz bevor er von Neoptolemus, dem Sohn des berühmten Kriegers Achilles, getötet wird.
#1 Historia Civitatis Troianae
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