Boccaccios vatikanischer Dekameron
Ein wahrer Schatz der französischen Kunst- und Literaturgeschichte: die prachtvoll und wunderschön illuminierte Handschrift mit dem berühmten Decamerone des Giovanni Boccaccio (1313–75) in der ersten französischen Übersetzung. Die heute in der Vatikanischen Bibliothek aufbewahrte Handschrift von 1414 befand sich ursprünglich im Besitz der mächtigen und kunstliebenden Herzöge von Burgund, die sie wohlmöglich von dem bibliophilen Duc de Berry (1340–1416) als Geschenk erhielten. Der goldgeschmückte Miniaturenzyklus der Handschrift illustriert die 100 berühmten Novellen erstmals mit je einer Miniatur. Die kunstvollen Bilder wurden vom Meister der Cité des Dames für dieses prachtvolle Meisterwerk der Blütezeit der französischen Buchmalerei geschaffen und zeigen zahllose liebliche Figuren in fließenden Gewändern und zeichnen sich besonders durch detailverliebte Darstellungen gotischer Architekturen aus. Prächtige Zierinitialen und filigrane florale Bordüren in leuchtendem Gold komplettieren diese meisterliche gotische Ausstattung.
Boccaccios vatikanischer Dekameron
Sieben Frauen und drei Männer begeben sich zur Zeit der Pestepidemie in Florenz im Jahre 1348 in ein schützendes Landhaus vor den Toren der italienischen Stadt. Dort vertreiben sie sich die Zeit mit dem Erzählen von unterhaltsamen und hintersinnigen Geschichten: jeder der zehn Anwesenden erzählt an zehn Tagen jeweils eine Geschichte zu einem vorgegebenen Thema. So entsteht ein Werk von 100 Novellen, ein „Zehntagewerk“, das berühmte Decamerone des Giovanni Boccaccio (1313–1375), entstanden um die Mitte des 14. Jahrhunderts.
Weltliteratur in der ersten französischen Übersetzung
Das Decamerone gehört bis heute zu den Meilensteinen der Weltliteratur. Und schon nach seiner Veröffentlichung begeisterte es seine Leser. Die kostbare Handschrift in der Vatikanischen Bibliothek enthält den Text des Decamerone in der ältesten französischen Übersetzung des Werkes.Laurent de Premierfait, ein bedeutender humanistischer Literat des 15. Jahrhunderts, übersetzte das Meisterwerk des Boccaccio zwischen 1411 und 1414 aus einer lateinischen Version ins Französische.
Kurz nach der Vollendung dieser bedeutenden Übersetzung entstand mit dem Codex Pal. Lat. 1989 eine erste Handschrift mit dem Text und zugleich ein Meilenstein in der Geschichte der Buchkunst in Frankreich. Nicht nur der Text, auch die künstlerische Ausschmückung mit 100 Miniaturen macht die Handschrift zu etwas Besonderem. Zum ersten Mal wurde hier jede der 100 Erzählungen mit einer eigenen bildlichen Darstellung illustriert.
Der Schöpfer der meisterhaften Miniaturen
Verantwortlich für diese herausragende Gestaltung war der sogenannte Meister der Cité des Dames. Dieser große französische Miniaturist hatte eine Werkstatt in Paris zu Beginn des 15. Jahrhunderts und illustrierte unter anderem mehrere Manuskripte der Cité des Dames der Christine de Pizan – daher sein Name. Der Meister der Cité des Dames arbeitete unter anderem mit Jacquemart de Hesdin zusammen und illustrierte vor allem literarische und historische Werke. Seine wunderschönen und eindringlichen Darstellungen des alltäglichen Lebens seiner Zeit machten ihn zu einem herausragenden Vertreter seiner Kunst.
Ein bunter Bilder-Reigen
In den 100 halbseitigen Miniaturen der französischen Decamerone-Handschrift findet der Betrachter eine unglaubliche erzählerische Vielfalt. Edelfrauen und eine Sultanstochter, berühmte Gelehrte und fromme Kirchenmänner, Könige und Räuber bilden das Figurenpersonal der Darstellungen und der Geschichten von tragischem Unglück, hitzigen Diskussionen und fröhlichen Hochzeiten. Die Szenen – ob in Innenräumen, am Wasser, im Wald oder in einer Stadt - sind wunderschön farbig und tiefenräumlich gestaltet, mit detaillierten gotischen Architekturelementen und zahlreichen Details in Gold. Und auch das schmückende zierliche Fleuronnéeornament als üppiges Rankendekor funkelt golden.
Ein kostbares Geschenk?
Diese prachtvoll gestaltete Handschrift entstand um 1415 in Paris und ist in den Jahren 1420 und 1467 in den Beständen der Burgunderherzöge Johann Ohnefurcht und Philippe le Bon nachzuweisen. Vermutlich handelte es sich um ein kostbares Geschenk des Jean de Berry, des berühmten Handschriftensammlers, an seinen Onkel Johann Ohnefurcht. Über eine Station in der berühmten Heidelberger Bibliothek zu Beginn des 17. Jahrhunderts gelangte die Handschrift in die Vatikanische Bibliothek. Dort ist sie einer der größten Schätze der reichen Bestände und ein beeindruckendes Zeugnis der großen Kunst Buchmalerei in Paris um 1415!
Kodikologie
- Alternativ-Titel
- Decameron Vaticano - Boccaccio
El Decameron
Decameron Vaticano
Boccaccio Decameron - Vatikan - Umfang / Format
- 656 Seiten / 30,0 × 22,5 cm
- Herkunft
- Frankreich
- Datum
- 1414
- Stil
- Genre
- Sprache
- Buchschmuck
- Gerahmte Miniaturen in den zweispaltigen Text eingefügt; florale Randleisten
- Inhalt
- 100 Geschichten
- Künstler / Schule
- Meister der "Cité des Dames"
- Vorbesitzer
- Herzog von Burgund
Bibliotheca Palatina in Heidelberg
Boccaccios vatikanischer Dekameron
Zweiter Tag, Zehnte Erzählung
Der Seeräuber Paganino da Monaco entführt die Frau von Ricciardo di Chinzica, einem Doktor der Rechte aus Pisa. Nachdem Ricciardo erfahren hat, wo sie sich aufhält, geht er zu Paganino und bittet ihn höflich, sie zurückzuholen. Er willigt ein, aber sie weigert sich, mit ihrem Mann zurückzukehren. Nachdem Ricciardo gestorben ist, heiratet sie Paganino. Die Moral von der Geschichte - dass eine junge Frau keinen alten Mann heiraten sollte - ist in der spätmittelalterlichen Volksliteratur weit verbreitet und spiegelt auch die Tendenz wider, dass Frauen erst später im Leben heiraten.
Boccaccios vatikanischer Dekameron
Fünfter Tag, neunte Geschichte
Die Figur von Fiammetta, die sich möglicherweise auf die neapolitanische Adlige Maria d'Aquino zurückführen lässt, erzählt die Geschichte von Federigo degli Alberighi. Nachdem er sein ganzes Geld für die Brautwerbung ausgegeben hat, bleibt diesem in seiner Liebe unerwidert gebliebenen Romantiker am Ende nur noch sein Falke, den er seiner letzten Angebeteten zum Essen anbietet. Von dieser Tat berührt, weil er das einzige, was ihm noch blieb, opfern wollte, heiratet sie ihn und macht ihn reich.
Abgesehen von ihrem moralisierenden Zweck stellen diese Geschichten wunderbare Einblicke in das Leben am Hofe im spätmittelalterlichen Europa dar, insbesondere wenn sie im Kontext solch exquisiter gotischer Miniaturen präsentiert werden. Hier sehen wir die Mode des zeitgenössischen Burgunds am Beispiel Federigos, der rote Beinkleider und eine grüne Tunika, ein Hemd mit weiten, luftigen Ärmeln und einen prächtigen Hut trägt.
#1 Decameron Vaticano
Details zur Faksimile-Edition:
Sprache: Spanisch
(3.000€ - 7.000€)
#2 Decameron Vaticano (Einzelseitensammlung)
Details zur Faksimile-Edition:
Sprache: Deutsch
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