Wegen zu kritischer Aussagen von der Inquisition verboten: Einer der ersten Schelmenromane der Literaturgeschichte
Leben von Lazarillo de Tormes

Leben von Lazarillo de Tormes
Dieses Werk wurde 1554 gleichzeitig in den Städten Alcalá de Henares, Burgos und Antwerpen veröffentlicht
Die Geschichte dreht sich um Lázaro, der den Leser auf eine Reise durch die Gesellschaft des 16. Jahrhunderts mitnimmt - aus dem Blickwinkel eines Mitglieds der unteren Gesellschaftsschicht
Da das Werk gegenüber der katholischen Kirche genauso kritisch war wie gegenüber der spanischen Aristokratie, wurde es von der Inquisition verboten
Leben von Lazarillo de Tormes
- Life of Lazarillo de Tormes
- La vida de Lazarillo de Tormes
Kurzbeschreibung
Der Antiheld ist weit davon entfernt, eine moderne Erfindung zu sein. Vielmehr war der schelmische Held ein populärer Archetyp der spätmittelalterlichen Literatur und ein Träger für beißende Gesellschaftskritik. Das Werk gilt als der erste sogenannte Schelmenroman, der die Heuchelei und Verdorbenheit des Spätmittelalters durch eine humorvolle und vernichtende Darstellung der Gesellschaft angriff. Dieser Roman ist sowohl ein wichtiges Stück der spanischen Literatur als auch ein erhellendes Artefakt für Kulturhistoriker.
Das Leben des Lazarillo de Tormes
Die spanische Erzählung von Lazarillo de Tormes, die aufgrund ihres antiklerikalen Inhalts anonym veröffentlich wurde, gilt als gattungsbildendes Gründungswerk des pikaresken Romans (oder zu deutsch Schelmenroman), eines literarischen Genres mit komisch-parodierenden und satirischen Elementen. Der pikareske Roman erzählt die Abenteuer eines Helden (pícaro), der den unteren gesellschaftlichen Schichten entstammt, es aber versteht, sich mit List und „Bauernschläue“ in einer korrupten Welt zu behaupten. Das anonym verfasste Werk entstand vor 1530 und erschien vermutlich im Jahr 1552/52 in Burgos als Erstdruck, der jedoch verloren ging. Die frühesten drei Drucke, die heute erhalten sind, stammen allesamt aus dem Jahr 1554 und wurden in den Städten Alcalá de Henares, Burgos und Amberes veröffentlicht.
Die Gesellschaft aus der Froschperspektive
Die Geschichte von Lazarillo, einem Jungen aus ärmlichen Verhältnissen in Salamanca, wird in der Ich-Perspektive vom Helden selbst erzählt. Diese Lebensbeichte ist Teil eines fiktiven Briefs, den Lazarillo an einen unbekannten Leser richtet, der ihm in einem aktuellen Streitfall, der seinen Arbeitgeber, den Erzbischof, und seine Ehefrau betrifft, beistehen soll. Lazarillos Autobiographie schildert in episodenhafter Reihung die verschiedenen Arbeitsverhältnisse, die der Junge, nachdem ihn seine Mutter in die Lehre geschickt hat, durchläuft, wobei der soziale Aufstieg in ironischer Inversion mit immer schlechteren Arbeitsbedingungen einhergeht. Lazarillo entwickelt listige Strategien, sich zu behaupten: zunächst dient er einem blinden Bettler, dann einem Geistlichen, einem verarmten Ritter, einem Klosterbruder, einem Ablassprediger, einem Kaplan und einem Erzpriester. **Die Geschichte führt den Leser so auf eine Reise durch die Gesellschaft des 16. Jahrhunderts und präsentiert sie aus der Froschperspektive, d.h. aus der niederen Perspektive des gesellschaftlichen Außenseiters. Damit bildete der Roman einen scharfen Kontrast zu den damals noch sehr beliebten beschönigenden Ritter- und Schäferromanzen, wie beispielsweise dem erfolgreichen Amadis-Roman. Hier wird keine märchenhafte Wunschwelt dargestellt, sondern die bedrückende Realität der Lebensbedingungen am unteren Ende der Gesellschaft. Auch die einfach gehaltene, eingängige Prosa des Lazarillo-Romans stand im Gegensatz zu den sprachlich phantasievollen Dichtungen anderer Werke der Zeit.
Inspiration für den modernen Anti-Helden
Es nimmt nicht wunder, dass dieses provokante Werk, das sowohl mit der katholischen Kirche als auch mit der spanischen Aristokratie gleichermaßen vernichtend abrechnete, bereits nach kurzer Zeit, im Jahr 1559, von der spanischen Inquisition auf den Index der verbotenen Bücher gesetzt wurde**. Danach konnte es nur in gereinigter Form als „Lazarillo castigado“ (1573) erscheinen, die explosive Urfassung hingegen war bis ins 19. Jahrhundert nicht erlaubt. Das Werk ist wahrlich ein Meilenstein des goldenen Zeitalters der spanischen Literatur, des Siglo de Oro, und wurde im Lauf des 16. und 17. Jahrhunderts in verschiedene Sprachen übersetzt. Die schelmenhafte Figur des Lazarillo de Tormes hat nachhaltigen Einfluss auf sämtliche andere europäische Literaturen genommen, zu seinen prominenten Nachfahren zählen u. a. Miguel de Cervantes‘ Don Quijote und Grimmelshausens Simplicissimus. Auch populäre Antihelden des modernen Films und Fernsehens (beispielsweise Forrest Gump) sind letztlich inspiriert von und stehen in der langen Tradition dieses ersten spanischen Pikaros der Weltliteratur.
Kodikologie
- Alternativ-Titel
- Life of Lazarillo de Tormes
La vida de Lazarillo de Tormes - Stil
- Genre
- Sprache
1 verfügbare Faksimile-Ausgabe(n) von „Leben von Lazarillo de Tormes“
La Vida de Lazarillo de Tormes
- Verlag
- AyN Ediciones – Madrid, 2004
- Kommentar
-
1 Band von Bienvenido C. Morros
Sprache: Spanisch - Mehr Informationen
- Möglichst detailgetreue Reproduktion des gesamten Originaldokuments (Umfang, Format, Farbigkeit). Der Einband entspricht möglicherweise nicht dem ursprünglichen oder aktuellen Dokumenteneinband.
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