Oxforder Bibelbilder
William de Brailles gilt als einer der gröĂten Schreiber und Buchmaler der Gotik und zeichnet sich durch seine fantasievollen und originellen Miniaturen aus, die mit filigran geprĂ€gten BlattgoldhintergrĂŒnden versehen sind. Die Oxforder Bibelbilder sind ein prĂ€chtiger Bilderzyklus aus 34 ganzseitige Miniaturen biblischer Geschichten, der einst in eine Bibelhandschrift einfĂŒhrte, deren restliche Teile jedoch nicht erhalten sind. Trotzdem gilt der bis heute bewahrte Bilderzyklus als das gröĂte Meisterwerk des berĂŒhmten Oxforder Buchmalers. Obwohl der Auftraggeber unbekannt bleibt, muss es sich um einen Laien von groĂem Reichtum und distinguiertem Geschmack gehandelt haben. Der Einband des Manuskripts ist mit einer Elfenbeintafel versehen, die auf der Vorderseite die Geburt Christi und auf der RĂŒckseite die Kreuzigung zeigt. Die kostbare Schnitzerei ist so angebracht, dass die letztgenannte Szene zu sehen ist, wenn der Buchdeckel geöffnet wird. Es handelt sich um ein wahrhaft wunderbares Zeugnis der Buchmalerei aus einer Zeit, in der die Nachfrage unter den Laien drastisch anstieg.
Oxforder Bibelbilder
Die unzĂ€hligen berĂŒhmten und prachtvollen Meisterwerke der mittelalterlichen Buchkunst stammen oft von Schreibern, deren Namen uns heute leider nicht bekannt sind. Eine Ausnahme stellt der Zyklus der Oxforder Bibelbilder dar, eine Sammlung der kostbarsten Miniaturen der Gotik, komponiert vom weltbekannten Meister William de Brailles aus Oxford. Dieses Werk gilt als Höhepunkt seines kĂŒnstlerischen Schaffens. Auf 31 BlĂ€ttern befinden sich Miniaturen, die Szenen aus dem Leben Jesu Christi in einer ausdrucksstarken Bildsprache zeigen, welche durch den Einsatz von raffiniert bearbeitetem Gold in ihrer erzĂ€hlerischen Kraft verstĂ€rkt wird.
William de Brailles sorgt fĂŒr Aufsehen
Im 13. Jahrhundert steigt die Nachfrage im Bereich privater AndachtsbĂŒcher. Dieser feststellbare Trend lĂ€sst darauf schlieĂen, dass die Oxforder Bibelbilder, welche in diesem Zeitraum entstanden sind, von einem privaten Stifter aus dem weltlichen Adel in Auftrag gegeben wurden. Bei dem anonym geblieben Auftraggeber muss es sich um eine unermessliche reiche Person gehandelt haben, denn dem Meister William de Brailles wurden bei der Gestaltung seines Kunstwerkes keine finanziellen Grenzen gesetzt. So stattete er seinen Bilderzyklus ĂŒppig mit poliertem Blattgold aus, welches in seinen unterschiedlichen Verarbeitungen noch heute in hervorragendem Zustand erhalten ist. Diese Besonderheit macht den Codex zum wertvollsten Werk de Brailles.
Ein Werk mit aufregender Geschichte
Es kann nicht mit Sicherheit bestimmt werden, in wessen Besitz sich die Oxforder Bibelbilder nach ihrer Entstehung befand und in welchem Umfang sie genau existierte. Im 19. Jahrhundert erwarb ein Pariser Antiquar 31 Seiten, von denen er sieben an die Collection Wildenstein verkaufte, welche diese wiederum an das MusĂ©e Marmottan in Paris ĂŒbergab. Die restlichen 24 Seiten behielt der Antiquar und lieĂ sie in einen roten Samteinband fassen. In den vorderen Buchdeckel wurde eine beidseitig geschnitzte Elfenbeinplatte eingelassen, die einmalig in der Geschichte gotischer Buchkunst ist. Zu guter Letzt erwirbt der Amerikaner Henry Walters das Kunstwerk fĂŒr sein Kunstmuseum in Baltimore, wo es sich noch heute befindet.
Neue kĂŒnstlerische Höhepunkte
William de Brailles ist nicht grundlos einer der renommiertesten Schreiber und Buchmaler der Gotik. Er schafft es mit seinen Bibelbildern, genau dem Nerv der Zeit entsprechend, einfallsreiche und originelle Miniaturen zu gestalten, die teils sogar satirische Elemente enthalten. Die Bilder strotzen vor Lebendigkeit und PlastizitĂ€t. De Braille versah die GewĂ€nder in seinen Malereien mit schwarzen und weiĂen Konturlinien, er baute seine Szenen realitĂ€tsgetreu auf und hielt sie auf einem aufregenden Goldgrund fest, womit er den Bildern eine traumĂ€hnliche Note verlieh. Der goldene Hintergrund wurde zudem in verschiedenen Arbeitsschritten ausgestaltet, was einzigartig fĂŒr Buchmalereien der Gotik ist. Die GoldflĂ€chen wurden mit speziellen Werkzeugen mit feinen Mustern aus Rauten, Punkten oder schuppenartigen Halbkreisen geprĂ€gt und tragen so zur herausstechenden ErzĂ€hlkraft der Bilder bei.
Die geheimnisvolle Elfenbeinplatte
Ein weiteres Element, das zur BerĂŒhmtheit der Bibelbilder beigetragen hat, ist die filigran geschnitzte Elfenbeinplatte im vorderen Einband des Buches, welche am Ende des 14. Jahrhunderts in Deutschland angefertigt wurde. Die fragile Tafel ist beidseitig beschnitzt und zeigt in erstaunlicher PlastizitĂ€t vorne die Geburt, auf der RĂŒckseite die Kreuzigung Jesu Christi. An einigen Stellen ist sie so dĂŒnn gearbeitet, dass sie sogar Lichtstrahlen durchlĂ€sst. Weder die genaue Funktion noch der Erschaffer dieses ganz eigenen Kunstwerkes konnte je genau bestimmt werden. Dieses Geheimnis verstĂ€rkt den Reiz, den die Oxforder Bibelbilder fĂŒr ihre Betrachter noch heute innehaben.
Kodikologie
- Alternativ-Titel
- Oxford Bible Pictures
- Umfang / Format
- 62 Seiten / 13,5 Ă 10,0 cm
- Herkunft
- GroĂbritannien
- Datum
- Um 1250
- Stil
- Genre
- Sprache
- Schrift
- Gotische Textualis Rotunda
- Buchschmuck
- 34 ganzseitige, reich mit Gold verzierte Miniaturen
- Inhalt
- Szenen aus dem Alten und Neuen Testament
- KĂŒnstler / Schule
- William de Brailes (fl. um 1230 â um 1260)
- Vorbesitzer
- Edith Corf
LĂ©on Gruel
Henry Walters (1848â1931)
Oxforder Bibelbilder
Der Fall der aufstÀndischen Engel
Der Krieg im Himmel, ein beliebtes Thema in englischen Handschriften, fĂŒhrt zum Sieg des Erzengels Michael und der himmlischen Heerschar ĂŒber den Drachen und die aufstĂ€ndischen Engel, die alle aus dem Himmel verstoĂen werden. Die Engel werden gezeigt, wie sie mit dem Gesicht zuerst aus dem Himmel in den Höllenschlund stĂŒrzen, der zinnenbewehrte ZĂ€hne hat wie eine Burg. WĂ€hrend sie fallen, verlieren sie ihre hellen Farben, ihre Haut verdunkelt sich, und ihre menschlichen Gesichter entarten zu ĂŒbertrieben-bestialischen Fratzen - sie sind jetzt DĂ€monen.
Oxforder Bibelbilder
Die Tiere betreten die Arche Noach
Diese Darstellung der Arche Noach fasst die berĂŒhmte Geschichte wunderbar zusammen. Die drei Schiffdecks, die im Buch Genesis beschrieben sind, zeigen Tiere auf dem ersten Deck, Vögel auf dem zweiten und Noachs Familie auf dem dritten. Die Flut steigt bereits an und die letzten Tiere werden gerade noch von einem Engel an Bord gefĂŒhrt.
Der prĂ€chtige goldene Hintergrund dieser Miniatur hat ein Schachbrettmuster fĂŒr den Himmel und ein Wellenmuster fĂŒr das Wasser, das um das Schiff schon aufsteigt. Der Bug und das Heck sind mit Tierköpfen verziert, Ă€hnlich wie bei einem Wikinger-Langschiff. Typisch fĂŒr das Manuskript ragt das Schiff ĂŒber den linken Rand hinaus und die Tiere betreten es ĂŒber einen Steg vom rechten Rand aus. Dieses innovative und praktische Mittel der ErzĂ€hlung wird im gesamten Codex verwendet.
#1 Oxforder Bibelbilder
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