Stundenbuch Kaiser Karls V.

Stundenbuch Kaiser Karls V. – Edilan – MS 411 – Beinecke Rare Book and Manuscript Library (New Haven, USA)

Rouen oder Paris (Frankreich) — Frühes 16. Jahrhundert

Heute ein Schatz der Beinecke Library der Yale University: Das prächtig im französischen Renaissancestil illuminierte Stundenbuch Kaiser Karls V.

  1. Kaiser Karl V. (1500–58) war der mächtigste europäische Monarch seit der Regierungszeit Karls des Großen (742–814)

  2. Abgesehen von der Herkunft aus Rouen oder möglicherweise Paris sind die genauen Ursprünge dieser großartigen Handschrift umstritten

  3. Dieses reich illuminierte Meisterwerk war der begehrte Besitz zahlreicher historischer Bibliophiler

Stundenbuch Kaiser Karls V.

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Beschreibung
Stundenbuch Kaiser Karls V.

Karl V., Kaiser des Heiligen Römischen Reichs (1500–58), war einer der größten Kunstmäzene der Geschichte. Zu den Buchschätzen des Monarchen zählte auch dieses Meisterwerk, ein Stundenbuch, das in Frankreich, vermutlich in Rouen oder Paris, für ihn angefertigt und mit einem Bilderzyklus von höchster Kunstfertigkeit geschmückt wurde. Die genauen Umstände seines Ursprungs sind unklar, doch wechselte das Manuskript seinen Besitzer mehrfach im Laufe der Jahrhunderte, darunter Aristokraten und Bibliophile auf beiden Seiten des Atlantiks.

Stundenbuch Kaiser Karls V. für den Gebrauch von Rom

Karl V., König von Spanien und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches (1500–58), war einer der mächtigsten europäischen Monarchen seit der Herrschaft Kaiser Karls des Großen (742–814) und auch einer der größten Kunstmäzene der Geschichte. Das vorliegende prächtige Stundenbuch wurde für ihn in Frankreich angefertigt, wahrscheinlich in Rouen oder Paris, und von einer einzigen Hand in gotischer Schrift geschrieben. Besonders bemerkenswert ist der qualitätsvolle Bilderzyklus, der den Text begleitet. Herkunft und Provenienz des Manuskripts sind umstritten: obwohl moderne Kunsthistoriker das Werk auf das frühe 16. Jahrhundert datieren, besagt ein Eintrag aus dem 18. Jahrhundert, dass der Codex im 14. Jahrhundert angefertigt wurde und im Besitz verschiedener Mitglieder der französischen Königsfamilie und Aristokratie war. Unabhängig von seiner Herkunft war dieses prächtige Stundenbuch mit seinen künstlerisch höchst anspruchsvollen Miniaturen über die Jahrhunderte hinweg ein begehrtes Objekt.

Ein würdiger Buchschmuck für einen Kaiser

Gemäß den kanonischen Textteilen, die für diesen Handschriftentypus üblich waren, beginnt das Stundenbuch mit einem Kalendarium, hier in französischer Sprache, mit Angaben zu Monatsarbeiten und Tierkreiszeichen, die abwechselnd in roter und blauer Tinte geschrieben sind. Darauf folgen die Sequenzen der Evangelien (Perikopen), die Stundengebete zur Jungfrau Maria oder Marienoffizium für den Gebrauch von Rom, die Bußpsalmen, das Totenoffizium sowie die Stundengebete zum Heiligen Kreuz und zum Heiligen Geist. Das Kalendarium ist mit einem Fries von Miniaturen umgeben, die jeweils in den äußeren Bildfeldern die für die Monate üblichen Tätigkeiten darstellen und in den unteren die Tierkreiszeichen zeigen. In den anschließenden Textteilen kündigen ganzseitige Miniaturen, die ebenso wie die Kalenderseiten von architektonischen Formen mit goldenen, roten und blauen Tafeln gefasst sind, neue Textabschnitte an; zur Verdeutlichung des Text-Bild-Bezugs sind die entsprechenden Textanfänge jeweils in den unteren Rahmenleisten der Miniaturen zitiert. Zusätzlich sind in die Textfelder gelegentlich Kleinbilder eingelassen. Sonstige Textseiten sind durchgängig mit reichem Bordürenschmuck, der sich floraler wie auch geometrischer Motive bedient, und einer Vielzahl variationsreicher Initialen verziert. Die Strophen mit den Weissagungen der zwölf Sibyllen sind in einem weiteren Bildzyklus dargestellt, in dem immer ein Bild einer Sibylle entweder auf derselben oder auf einer gegenüberliegenden Seite mit einer Darstellung des Inhalts ihrer Weissagung gezeigt wird, d. h. Szenen aus dem Leben Jesu Christi. Letztere sind im Kontrast zu den farbigen Miniaturen der Sibyllen-Darstellungen in Grisaille-Technik ausgeführt. Beide Darstellungen sind am unteren Bildrand von Spruchbändern begleitet, die Teile der entsprechenden Zitate enthalten, also einerseits der Weissagungen der Sibyllen und andererseits der Bibelstellen aus dem Neuen Testament. Die Sibyllen-Darstellungen sind den berühmten römischen Sibyllen des Orsini-Zyklus aus dem 15. Jahrhundert nachempfunden, die als Fresken im Palast des Kardinals Giordano Orsini in Rom zu sehen sind. Erwähnenswert sind die vielen Miniaturen im Bas-de-page der Handschrift: in goldener oder roter Umrandung sind häufig kleine Landschaftsszenen mit kämpfenden grotesken, tierischen Wesen dargestellt oder von Akanthus umrankte, rosa-goldene Spruchbänder, die Weissagungen oder andere Texte enthalten, die in Verbindung zu den Figuren darüber stehen.

Eine umstrittene Geschichte

Ein Eintrag aus dem 18. Jahrhundert auf Folio 3 verso gibt an, dass der Codex im 14. Jahrhundert angefertigt wurde, obwohl er von modernen Kunsthistorikern auf das frühe 16. Jahrhundert datiert wurde. Zudem verweist der Eintrag auf Charles d’Orléans (1459–96), Graf von Angoulême, als einstigen Besitzer des Codex, der ihn seiner Frau Louise de Savoie (1476–1531) gegeben haben soll. Nach deren Tod soll das Stundenbuch in den Besitz von Marguerite de Valois (1553–1615), Königin von Navarra, übergegangen sein, weshalb es auch unter dem Namen Stundenbuch der Marguerite de Valois oder Marguierte de Valois‘ Gebetbuch bekannt ist. Tatsächlich gibt es keinen Beweis für die Richtigkeit dieser Angaben. Lediglich die Eigentümerschaft von Jean Baptiste Denis Guyon de Sardiere (1674–1759) lässt sich belegen: Seine umfangreiche Handschriftensammlung wurde nach seinem Tod im Jahr 1759 für den Verkauf in Paris katalogisiert und dort en bloc von Louis Cesar de la Baume le Blanc, Herzog von la Valliere (1708–80) erworben. Der Teil der herzoglichen Bibliothek, zu dem das Stundebuch gehörte, wurde wiederum von Jean-Benjamin de la Borde (1734–94) gekauft, einem Kammerdiener des französischen Königs Ludwig XV. (1710–74). Einem Eintrag auf dem zweiten Vorsatzblatt am Ende des Manuskripts zufolge wurde es in 1846 von einem gewissen A. Gobert restauriert. In 1969 erwarb die Beinecke Bibliothek der Yale University die Handschrift und bewahrt sie bis heute unter der Signatur „Beinecke MS 411“ auf. Im Jahr 1984–5 versah J. Greenfield vom Yale Conservation Studio das wertvolle Manuskript mit einem üppigen, dunklen Samteinband.

Kodikologie

Alternativ-Titel
Book of Hours of Charles V, Use of Rome
Libro de Horas de Carlos I (Emperador Carlos V) al Uso de Roma
Umfang / Format
298 Seiten / 19,2 × 12,3 cm
Herkunft
Frankreich
Datum
Frühes 16. Jahrhundert

Verfügbare Faksimile-Editionen:
Faksimile-Editionen

#1 Libro de Horas de Carlos I (Emperador Carlos V) al Uso de Roma

Edilan – Madrid, 2003

Details zur Faksimile-Edition:

Verlag: Edilan – Madrid, 2003
Kommentar: 1 Band von Roger S. Wieck, Friedrich Edelmayer, Santiago Luque Agustin, Jesus Montoya Martinez and Antonio Rubio Flores
Sprache: Spanisch
Faksimile: 1 Band Detailnahe Reproduktion des gesamten Originaldokuments (Umfang, Format, Farbigkeit). Der Einband entspricht möglicherweise nicht dem ursprünglichen oder aktuellen Dokumenteneinband.
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